Bd. 1 - Die dunkle Schwinge
Und es heißt, dass während des Sprungs etwas sehr Seltsames passiert sein soll. Chan will nicht darüber reden, also muss etwas Wahres dran sein. Andere sagen, der Admiral habe sich einen neuen Titel zugelegt, womöglich um den zu ersetzen, den er eigentlich nicht mehr benutzen sollte. Ein Titel, den die Zor ihm gegeben haben.«
»Gerüchte«, erwiderte Sergei. Sein Mund war mit einem Mal wie ausgetrocknet, während er versuchte, teilnahmslos dreinzublicken, obwohl sein Sicherheitschef ihm Dinge erzählte, von denen er wusste, dass sie stimmten.
»Wissen Sie, Skip, man kann sich kaum vorstellen, dass Sie in zwanzig Jahren nie richtig gelernt haben, wie man Poker spielt. Wenn Sie mich entschuldigen würden«, sagte er und salutierte, »aber meine Arbeit ruft.« Sergei reagierte mit einem knappen Gruß und sah dem Mann nach.
Die Flotte lag über der Station vor Anker, die die Zor Ka’ale’e Hu’ueru nannten, die Feste der Dunkelheit. Das Kontingent der Menschen war noch weiter angewachsen, achtzehn Schiffe hatten sich nach der Einnahme von A’anenu eingefunden. Es war nicht lange möglich gewesen, die Gerüchte an ihrer Ausbreitung zu hindern. Schließlich wusste jeder, dass Marais abgesetzt worden war, auch wenn es weiter inoffiziell blieb. Noch immer herrschte Funkstille. Auch wenn die Admiralität richtig getippt hätte, wo die Flotte zu finden war, verfügte sie über keine Schiffe, die sie hätte herschicken können.
Rrith durfte sich auf Anordnung von Admiral Marais auf der Lancaster frei bewegen, lediglich der Maschinenraum, das Hangardeck und die Brücke waren für ihn tabu. Er war unbewaffnet, wenn man von seinem chya absah, und er wurde ständig eskortiert. Auch wenn er machen konnte, was er wollte, verbrachte er die meiste Zeit auf dem Beobachtungsdeck, wo er die Sterne betrachtete, unnahbar wirkte und von allen in Ruhe gelassen wurde.
Drei Standardtage nach der Kapitulation von Hu’ueru vor der Dunklen Schwinge wurden Gyu’ur HeYen, der Kommandant der HaSameru, und seine Offiziere auf das Flaggschiff eingeladen. Es war mehr eine höfliche Geste unter Soldaten als ein Staatsbesuch, und der Admiral entschuldigte sich, dass er an der Zusammenkunft nicht teilnehmen konnte. Um das Treffen noch etwas inoffizieller wirken zu lassen, ließ Sergei die Einladung von Chan überbringen, der die Zor im Namen der Offiziersmesse der Lancaster einlud.
»Wir bewegen uns seit A’anenu in einem Vakuum«, hatte er zu Chan gesagt. »Das ist eine Gelegenheit für uns, wirklich etwas über die Zor zu erfahren.«
»Einen feindlichen Commander an den Tisch der Offiziersmesse einzuladen … so etwas hat es noch nie gegeben«, hatte Chan eingewandt. »Dafür ist die Offiziersmesse nicht gedacht.«
»Es ist eine höfliche Geste«, beharrte Sergei. »Bislang war noch nie ein Zor an Bord eines imperialen Schiffs gewesen. Aber die Zor sind nicht zwangsläufig immer noch unsere Feinde, und …« Fast hätte er gesagt: … und wir sind längst kein imperiales Schiff mehr. »Ich befehle Ihnen das nicht, Chan, ich bitte Sie darum. Falls der Krieg jetzt vorüber ist, dann haben die Offiziere der Lancaster nun als Erste die Chance, unsere neuen Freunde zu verstehen.«
Chan seufzte, als stelle er sich den Kampf vor, der ihn erwartete, wenn er das den anderen Offizieren eröffnete. »Also gut, Sir. Sollte ich sonst noch jemanden einladen?«
»Sergeant Boyd«, antwortete er. »Ich weiß, das ist ebenfalls ungewöhnlich, aber wir werden ihn brauchen.«
»Und der Gefangene?«
»Fragen Sie Boyd, aber ich vermute, die Antwort lautet nein. Und solange ich nichts anderes sage, wird der Gefangene während des Besuchs nicht erwähnt.«
Er hatte mit seiner Vermutung richtig gelegen. Boyd hatte bei Rrith einen großen Bogen um das Thema gemacht, dann aber erkannt, dass der Status des Zor noch immer idju war, auch wenn er sich Admiral Marais in dessen Rolle als Dunkle Schwinge untergeordnet hatte. Er würde nicht mit den Zor-Offizieren an einem Tisch sitzen können, ganz gleich, wie sehr er auch unter seinesgleichen sein wollte.
Auf die Minute genau landete der Zor-Shuttle auf dem Hangardeck der Lancaster. Die helle Beleuchtung hatte man mit Rücksicht auf die Gäste gedämpft, und sie entsprach nun dem von ihnen bevorzugten roten Spektrum. Die Schwerkraft an Bord war auf einen Mittelwert zwischen den gewohnten 0,6 g der Zor und dem Standard von 1 g reduziert worden.
Nachdem die Luke geöffnet worden war, glitten drei Zor langsam
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