Bd. 1 - Die dunkle Schwinge
dass den Schiffen und der jeweiligen Besatzung besser damit gedient war, wenn die gleichen Männer und Frauen weiter das Kommando führten wie bisher. Dennoch wusste er so wenig über die Offiziere, mit denen er speisen würde, dass er sich gut vorstellen konnte, wie nervös sie sein mussten.
Im Rickover wimmelte es von Offizieren, die eifrig salutierten. Er bahnte sich seinen Weg zwischen ihnen hindurch und betrat den Lift mit dem Hinweisschild NUR FÜR AUTORISIERTES PERSONAL, der ihn ohne Zwischenstopp in den obersten Stock brachte.
Obwohl Sergei eine Viertelstunde zu früh eintraf, war er der Letzte. Seine zehn neuen Untergebenen nahmen Habtachtstellung ein, als er hereinkam, und verharrten in ihrer Position, während er über den dicken Teppich zu seinem Platz am Kopfende des Tischs ging. Eine Ordonnanz wollte ihm in den ausladenden Sessel mit hoher Rückenlehne helfen, doch Sergei bedeutete ihm, es sei nicht nötig.
»Nehmen Sie bitte Platz«, sagte er in die Runde, woraufhin sich die Offiziere steif hinsetzten. Sein Blick fiel auf eine kleine, mit Monogramm versehene Karte vor ihm auf dem Tisch: CDRE. S. TORRIJOS. Die Offiziere, die ihm bis dahin zum Teil nur namentlich bekannt gewesen waren, wirkten angespannt, da sie nicht wussten, was sie von ihrem neuen Kommandanten zu erwarten hatten. Sergei atmete tief durch und sah von einem zum anderen.
Gleich links von ihm saß Uwe Bryant, der jüngste der zehn Offiziere und Kommandant der Indomitable. In seiner makellosen Galauniform, die eine bedrückende schwarze Armbinde aufwies, wirkte er, als fühle er sich sehr unwohl. Sein Großvater Admiral Sir Coris Bryant war bei Pergamum ums Leben gekommen, womit es an Uwe war, dessen Vermächtnis zu erfüllen. Die Indomitable war – so wie ihr Zwillingsschiff Inflexible – aus den Überresten dessen ausgewählt worden, was von Admiral Bryants Kommando nach der Schlacht von Pergamum noch verblieben war. Der Admiral und sein XO hatten Admiral DeSaia an Bord der Sun Tzu eben einen Besuch abgestattet, als die Zor angriffen. Damit war es dem jüngeren Bryant zugefallen, das kleine Schiff während der gesamten Schlacht zu befehligen. Er besaß den Ruf eines intelligenten, wenn auch manchmal übervorsichtigen Offiziers.
Neben ihm saß Alyne Bell, Captain des Transporters Gagarin. Ihre Uniformbluse war dekoriert mit den Abzeichen aus mehr als zehn Jahren. Über sie wusste Sergei, dass sie kurze Zeit an Bord der Ponchartrain gedient hatte, das erste Schiff, auf dem er selbst eingesetzt worden war. Im Gegensatz zu dem jüngeren Mann schien sie auf das gefasst, was kommen würde. Die Gagarin war ein neuerer Transporter der Eridanus- Klasse, die den alten Geschwader-Transporter Cambridge ersetzte, nachdem der unter dem Kommando von Dolph Schaumburg bei Pergamum schwere Schäden davongetragen hatte und für mindestens vier bis fünf Monate im Raumdock bleiben musste. Mit Sergeis Hilfe war es Dolph aber zumindest gelungen, das Schiff reparieren zu lassen, anstatt es einfach zu verschrotten.
Links von Captain Bell hatte Roger Fredericks Platz genommen, Kommandant des Kreuzers Inflexible. Fredericks war seit vielen Jahren Gefechtsoffizier und hatte unter dem Kommando von Admiral Bryant die Gefechtstaktiken für Kreuzer revolutioniert. Seiner spitzen Zunge jedoch »verdankte« er es, dass er nicht weiter befördert wurde. Er blickte säuerlich drein, womöglich weil er nicht damit einverstanden war, dass Sergei den Platz am Kopfende des Tischs einnahm.
Neben ihm saß Senior Captain Yuri Okome vom Geleitschiff Ikegai. Okome gehörte fast schon automatisch zu diesem Geschwader. Seit über fünfundzwanzig Jahren war er im aktiven Dienst, und immer wieder wurden Beförderungen in gehobene Kommandopositionen von ihm abgelehnt, damit er Captain seines eigenen Schiffs bleiben konnte. In Friedenszeiten war er Logistik-Ausbilder an der Marine-Akademie, wo er mit seinem Narbengesicht und seiner fordernden Art den Kadetten die Hölle heiß machte.
Am anderen Ende des Tischs sah er Senior Captain Marc Hudson, den Kommandanten des Raumschiffs Biscayne, der den Ruf erworben hatte, bei Beschuss besonders kühl zu bleiben und äußerst innovativ zu denken. Seine Dienstakte war eine umfangreiche Sammlung von Kommentaren jener Menschen, die er mit seiner Art beeindruckt hatte, und solcher Zeitgenossen, die sich im Laufseiner rund zwanzig Dienstjahre vor den Kopf gestoßen fühlten, seit er als jüngster Offizier überhaupt das Kommando über ein
Weitere Kostenlose Bücher