Bd. 1 - Die dunkle Schwinge
Raumschiff übernommen hatte – die alte Boadicea, die in der Schlacht bei Anderson’s Star schwer beschädigt worden war. Beide Lager – seine Befürworter wie seine Kritiker – hielten sich in etwa die Waage.
Sharon MacEwan, Captain der San Martin, saß auf dem nächsten Platz. Sie war ein jüngerer Spross der berühmten ›Fighting MacEwans‹. Es wäre eine Schlagzeile in den 3-V wert gewesen, hätte ein Vorstoß ins Zor-Gebiet ohne einen oder eine MacEwan auf einem Kommandoposten stattgefunden. Mehr als zwei Dutzend Offiziere, die alle diesem Clan angehörten, dienten in der Imperialen Navy und setzten eine Familientradition fort, die schon zu jener Zeit etwas Althergebrachtes war, als Bonnie Prince Charlie zurückkehrte und seinen Anspruch auf den britischen Thron anmeldete. Sergei fiel auf, dass Sharon sich bereits den typischen finsteren Blick der MacEwans angewöhnt hatte, durch den sich auch mancher Senioroffizier eingeschüchtert fühlte.
Zu MacEwans Linken saß Tina Li, die das Raumschiff Sevastopol befehligte, ein Schiff mit einer langen Geschichte und Tradition. Das erste Schiff mit diesem Namen hatte den ersten Imperator von der Halpern-Sternenbasis ins Sol-System begleitet und sich während des Akzessionskrieges wiederholt ausgezeichnet. Zwei Punkte machten Captain Lis Ruf so außergewöhnlich. Zum einen standen alle ihre Offiziere und die gesamte Crew absolut loyal zu ihr – mindestens drei oder vier Untergebene hatten nach Pergamum jeder ein eigenes Kommando abgelehnt, weil sie auf der Sevastopol bleiben wollten. Zum anderen hatte sie sich den Ruf erworben, sich – und ihre Leute – in kritische Situationen zu bringen und auch wieder einen Ausweg daraus zu finden. Bei Pergamum war sie dem Feind zahlenmäßig unterlegen und von den anderen Schiffen der eigenen Flotte abgeschnitten worden, woraufhin sie ein tollkühnes Manöver vollzog, indem sie weit oben in der Atmosphäre eines Gasriesen hart wendete und dann mit vollem Schub in eine feindliche Formation steuerte, um ihr Schiff in Sicherheit zu bringen. Eher konservativ eingestellte Vorgesetzte hatten sie zu Beginn ihrer Karriere oft als leichtsinnig bewertet, doch ihr Erfolg ließ diese Kritik bald verstummen. Die Männer und Frauen an Bord der Sevastopol wussten offenbar, wie gut sie es dort angetroffen hatten – weshalb sie das Schiff auch nicht verlassen wollten.
Neben Li sah er Sir Bertram Halvorsen sitzen, den Kommandanten des Raumschiffs Mycenae. Sergei hatte fast vier Jahre lang zusammen mit ihm unter McMasters gedient, und er war froh, den Mann bei sich zu haben. Bert war Erbe einer Grafschaft und eines immensen industriellen Vermögens. Ihm hing der Ruf an, verweichlicht zu sein, was vor allem mit der verschwenderischen Ausstattung seines Schiffs zusammenhing. Vom ehemaligen Flaggschiff Royal Oak abgesehen bot die Mycenae die beste Offiziersmesse in der gesamten Flotte. Sergei hatte oft mit Bert Halvorsen zu Abend gegessen und hielt ihn für einen freundlichen Gastgeber – sogar gegenüber einem Bürgerlichen, wie Sergei sich einmal mehr vor Augen halten musste. Er sah in ihm einen sehr kompetenten Mann, was er auch aus eigener Erfahrung wusste, da er Seite an Seite mit ihm gekämpft hatte. Es gab nur wenige Menschen, denen Sergei bei einem Gefecht noch mehr vertraut hätte als ihm.
Sir Gordon Quinn vom Raumschiff Helsinki saß unmittelbar rechts von Sergei. Er entstammte auch einem alten Adelsgeschlecht, das von britischem ebenso wie von imperialem Hochadel war, und er behauptete, auf einen Stammbaum zurückblicken zu können, der mehr als tausend Jahre zurückreichte. Mit der Aufgabe konfrontiert, zehn beliebige Schiffe und zehn beliebige Captains der Flotte auszusuchen, wären die Helsinki und mit ihr Sir Gordon niemals in die engere Wahl gekommen. Das Schiff war alt – zwölf Jahre vor der Lancaster erbaut – und eigentlich nur ein Umbau der noch älteren Lyonesse-Klasse. Und Quinn war ein taktloser, arroganter Adliger, der sich keine Gelegenheit entgehen ließ, andere auf seine Herkunft hinzuweisen. Da Sergei Mühe hatte, überhaupt zehn Schiffe zu finden, die ihm unterstellt sein sollten, war er notgedrungen auf die Helsinki gekommen. Seine Absicht, wenigstens Quinn durch einen anderen Kommandanten zu ersetzen, war jedoch zunichte gemacht worden, da dessen Stab an Bord der Helsinki sich viele unangenehme Eigenschaften mit dem Captain teilte und niemand über ein ausreichendes Maß an Erfahrung verfügte. Ein anderer
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