Bd. 1 - Die dunkle Schwinge
Lebensgefährten, die selbst nicht dem Militär angehörten, wechselten nur zu gern ins Zivilleben über, da sie nicht das Risiko eingehen wollten, an einem weiteren Krieg teilnehmen zu müssen.
In Sergeis Leben gab es niemanden, der ihn zu einer solchen Entscheidung hätte veranlassen können, und damit stand er auch nicht vor einer Wahl. Der Weg, der ihn an diesen Punkt geführt hatte, war weder einfach noch gefahrlos gewesen. Er war der sanierten Armut seiner Geburtsstadt Buenos Aires entkommen, indem er zur Akademie der Küstenwache ging, die er nach einem Trainingseinsatz im Sol-System mit Auszeichnung abschloss. Auch seinen Dienst an Bord des Flottentransporters Ponchartrain hatte er mit Auszeichnung absolviert. Eigentlich hatte schon vor langer Zeit festgestanden, dass die Navy seine Karriere war, doch das vorzeitige Ende der Feindseligkeiten ließ daran in ihm Zweifel aufkommen.
Hier im St.-Louis-Komplex war er erstmals Ted McMasters begegnet, damals noch ein Commander. Ted war Kriegsgerichtsrat in einem Verfahren gegen Sergei gewesen, als der auf der Ponch vor ein Kriegsgericht gestellt wurde. Angeklagt war er wegen Diebstahls – eine Behauptung, die ein bestechlicher wachhabender Offizier erfunden hatte, nachdem Sergei als armer Bürgerlicher aus Buenos Aires bei Übungsflügen die Söhne aller Barone in Grund und Boden geflogen und sie nach allen Regeln der Kunst blamiert hatte. Auch wenn es viel einfacher gewesen wäre, die meineidlichen Aussagen der wahren Schuldigen zu akzeptieren, hatte Ted entschieden, dass die Ehre des Dienstes es verlangte, die Wahrheit ans Licht zu bringen. Würdevoll hatte er es hingenommen, dass die Anklage der Imperialen Navy in sich zusammenfiel.
Ted hatte das Glück, einen Posten innezuhaben, als der Frieden kam. Über einige Kontakte am Hof war es ihm gelungen, sich den Rückhalt des legendären Taktikers Sir Malcolm Rodyn zu sichern, der zu jener Zeit Kommandant der Lancaster war. Auf diese Weise war es ihm möglich, der neue Captain dieses Schiffs zu werden. Nachdem er seine Befehle erhalten hatte und seine Schulterklappen die glänzenden Rangabzeichen eines Captains trugen, kam Ted McMasters zurück ins Sol-System, wo er nach geeigneten Offizieren suchen wollte, die die zentralen Positionen unter seinem Kommando einnehmen konnten. Dieser Schritt war nötig, da mit Sir Malcolms Wechsel auf den Posten eines Stabsoffiziers am Hof auch der Weggang all seiner Offiziere verbunden gewesen war. Einige von ihnen folgten ihm in einer neuen Funktion als seine Berater, andere wurden auf Sir Malcolms Betreiben hin befördert und standen für den Dienst auf der Lancaster nicht mehr zur Verfügung.
Zu der Zeit war Sergei der Ansicht gewesen, sein Zusammentreffen mit Ted in der Offiziersmesse sei reiner Zufall, doch später erfuhr er, dass die Versetzung längst vorbereitet war und nur auf Sergeis Einverständnis und Unterschrift wartete.
»Ich brauche gute Offiziere«, hatte Ted gesagt. »Las Duhr wird die Zor höchstens für achtzehn Monate ruhen lassen.« Das war bei den Streitkräften eine weit verbreitete Ansicht, der sich lediglich die Zivilisten nicht anschließen wollten. »Halten Sie sich bereit, in einer Woche auszulaufen.«
Sergei nannte ihm die Namen einiger Kameraden, von denen er glaubte, sie seien so gut wie er selbst – oder sogar besser. McMasters wollte keinen von ihnen haben. »Tut mir Leid«, sagte er bei jedem von ihnen. »Steht nicht auf meiner Liste.« Diese Reaktion war Sergei äußerst ungerecht erschienen, denn ohne einen Gönner wie Captain McMasters, der sie aus dem Raumdock retten konnte, würden sie so lange dort festsitzen, bis sie aufgaben.
»Es ist unfair«, stimmte McMasters ihm zu. »Niemand ist da anderer Meinung. Aber ich habe das verdammte System nicht erfunden, und ich muss mich nach den Spielregeln richten. Den wenigen Einfluss, den ich habe, nutze ich für mich, so gut ich es kann.
Wenn Sie erst mal mein Dienstalter und meinen Dienstgrad haben, werden Sie es sicher nicht anders halten.«
Tatsächlich hatte er es über die Jahre hinweg nicht anders gehalten. McMasters hatte auf diese Weise fast alle Schlüsselpositionen an Bord der Lancaster besetzt, angefangen bei Chan Wells. Fünfzehn Jahre später war Sergei wieder an diesen Ort zurückgekehrt, diesmal jedoch unter völlig veränderten Bedingungen. In gewisser Weise hatte sich der Kreis geschlossen, denn jetzt lag es in seiner Verantwortung, ein Kommando fürs All vorzubereiten.
Weitere Kostenlose Bücher