Bd. 3 - Der dunkle Stern
Byar. Einen Moment …« Er machte eine Geste hin zum Computer und kehrte an eine Stelle zurück, die er zuvor markiert hatte. »Und der Diener sagte zu ihm: »Sie müssen durch die Welt reisen und das verlorene Schwert zurückholen, das zur Kralle von esLi werden wird.«« Die Verbform ist anSa’e – ›zurückholen‹. Und er sagt ausdrücklich ›das verlorene Schwerte Wir erkennen diese Sätze oder diese Wörter nicht als Teil der Legende von Qu’u. Sie fehlen in den späteren Ausgaben. Dies hier ist die Grundlage für die Legende von Qu’u, das Fundament für die Epen, die Motivation für alles, was wir taten, um uns seit etlichen Zyklen auf die Ankunft der esGa’uYal vorzubereiten … und doch haben wir diese gravierende Veränderung übersehen. Wenn die ursprüngliche Schilderung des Lehrmeisters zutreffend ist, se Byar, dann bedeutet es, dass Qu’u sich auf die Ebene der Schmach begab, um das Schwert zurückzuholen. Aber warum? Warum baute esLi in all seiner Weisheit den Zusammenschluss der Nester auf eine Kralle auf, die aus dem Herzen des Täuschers geschaffen war? Warum machte er sich diese Mühe?
»Ich würde nicht esLis Weisheit infrage stellen«, sagte Byar und wollte seine Flügel in die Pose der Ehrerbietung gegenüber esLi bringen.
Abrupter und schneller als von Byar erwartet, flog S’reth quer durch den Raum und landete neben ihm auf derselben Sitzstange, dann packte er Byar an den Schultern, damit der seine Flügel nicht in diese Pose heben konnte.
Der Griff des alten Zor war kraftvoll, und seine Augen verrieten seine Emotionen.
Aber da war noch etwas, das Byar einfach nicht deuten konnte, obwohl er als Lehrer und Führer für junge Fühlende viel Erfahrung besaß.
Draußen schien das Licht blasser zu werden, so als würde eine Wolke vor der Sonne vorüberziehen. Der zinnoberrote Schein von Antares nahm ein fahles Gelbgrau an, was das skelettartige Aussehen des alten Zor verstärkte.
»Was ist das, S’reth?« Er war so überrascht, dass er kein angemessenes Pränomen fand. »Was für ein enGa’e’li ist das?«
»Das ist es nicht, se Byar – Jüngerer Bruder, Meister des Sanktuariums, alter Freund. Nichts von esLis Goldenem Kreis findet sich darin, nicht mal die Kraft des Wahnsinns von Lord esLi. Es ist eine schreckliche Erkenntnis, ein saShrne’e – das Lüften des Schleiers. Sie werden die Weisheit esLis nicht infrage stellen, doch ich muss es. Ich bin kaum mehr eine Flügelspanne davon entfernt, ins Goldene Licht zu fliegen. Hier ist etwas Größeres am Werk, etwas, das den ganzen Flug überspannt – von Ihrem geehrten Vorfahren über den Krieg gegen die naZora’i bis hin zur Gegenwart. Überlegen Sie, mein Freund. Tun Sie, was Sie lehren.« S’reth lockerte ein wenig seinen Griff, hielt Byar aber weiter fest. »Fragen Sie sich dieses: Wer befahl uns als Erster, gegen die Menschen zu kämpfen?«
»… Lord esLi.«
»Sind Sie sich da sicher?«
»Der Hohe Lord hatte einen Traum. Ihm wurde aufgetragen, den Flug zu verfolgen, der die Auslöschung der naZora’i zum Ziel hatte. Erst als esHu’ur …«
»… der zugleich es77firwar«, warf S’reth ein, der plötzlich hastiger sprach, als Byar es jemals bei ihm bemerkt hatte. »Es war esHu’ur, der unseren Flug veränderte und uns zum Leben verdammte. Ich weiß es, se Byar, ich war dabei. Ich lebte damals, als Fühlender hier im Sanktuarium. Ich bin einer der Letzten aus dem Volk, dessen Flügel von jener Zeit bis heute geflogen sind. Der Hohe Lord würde den wahren Lord vom Täuscher unterscheiden. Was aber, wenn esLi selbst verändert worden war? Was, wenn jemand – irgendeine Macht – esLi so verändert hatte, dass er uns auf diesen Flug schickte? Was, wenn diese Macht alles beschloss, auch die Art, wie der Krieg gegen esHu’ur ausgehen würde? Was, wenn auch die Bergung des gyaryu selbst arrangiert worden war? se Jackies Erlebnis lässt den Schluss zu, dass es geschehen ist. Wir wurden manipuliert, Byar.« S’reths Stimme klang rau, sein Griff war schwächer geworden. »Man hat uns auf diesen Flug geschickt, damit se Jackie den Platz im Kreis einnehmen kann.«
Der alte Zor atmete so tief ein, dass sein gesamter Körper sich auszudehnen schien, um anschließend beim Ausatmen wieder ganz in sich zusammenzufallen. »Dies ist Shr’e’a, mein alter Freund.«
»Ich wusste nicht, was Sharia’a damit zu tun …«
»Shr’e’a!«, wiederholte S’reth. »Es bleibt so wenig Zeit, mein alter Freund. Die Feinde … die
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