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Bd. 3 - Der dunkle Stern

Bd. 3 - Der dunkle Stern

Titel: Bd. 3 - Der dunkle Stern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter H. Hunt
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befanden sich in der Pose der Hochachtung gegenüber esLi. Doch sein eigenes Talent als Fühlender und das leise Wehklagen und Knurren seiner Klinge ließen ihn erkennen, dass der Herr über Alles keine Vergebung dafür kannte, dass er den Gyaryu’har willkommen hieß, der in Wahrheit abwesend und unbewaffnet war. Der Gedanke an idju – Ehrlosigkeit bis zum Tod – schien nicht länger eine Bedeutung zu besitzen. Es widerte T’te’e an, wie schnell sich seine ihm so wichtigen Werte anscheinend von etwas überaus Bedeutsamen zu etwas Belanglosem verändert hatten.
    Das Bett des Gyaryu’har kam fast genau im Mittelpunkt des wirbelnden Musters der fliegenden Krieger zum Stehen. Auf eine dezente Geste von T’te’e hin veränderte sich ihr Flugbild langsam in einen Kreis. Der Hohe Kämmerer trat vor an den Fuß des Betts, in dem se Sergei lag, brachte seine Flügel in die Position des Mantels der Anbetung und hielt sein ehya ausgestreckt vor sich.
    »›Und der Herr esLi sprach zum Hohen Lord A’alu und befahl ihm: Sprich dies in meinem Namen. Sag allen Generationen Meines Volkes, den lebenden und den zukünftigen, dass ich Folgendes bestimmt habe: Für das Volk soll es einen Herrn, ein Hohes Nest und einen Hohen Lord geben. Sag ihnen: ›Der Herr esLi hat sich die Arbeiten Seines Volks angesehen, und er hat in Seiner Güte beschlossen, dem Volk ein Zeichen zu schicken, wodurch Sein Wille geschehen soll – dass ein Held gefunden wird. Dieser Held soll von großem und gutem Herzen sein, und obwohl er jung und wenig erfahren sein wird, soll er sich zur Ebene der Schmach begeben und zurückholen, was verloren wurde, und was er mit meinem Beistand wieder finden wird.‹«
    Das ungewohnte Nebeneinander verschiedener Zeiten in diesem Text machte es immer schwierig, ihm zu folgen, doch das Ritual erforderte von T’te’e, dass er die Passage exakt so wiedergab, wie sie in Die Legende von Qu’u vor Fünfzwölfer Zyklen geschrieben worden war.
    »›Sag dem Volk, dass der Held zurückgekehrt ist und dass er ein Schwert trägt, das ich für ihn neu geschmiedet habe. Sag dem Volk, dass Mein Volk mit diesem Schwert ein Volk werden wird und dass das Nest des Helden das Hohe Nest werden wird. Dies wird das Schwert des Nests sein, das Schwert des Helden, das die Eiswand durchbrach, der im Kreis stehen wird, wenn die Armeen des Täuschers sich vor den Toren versammeln.‹ Mit diesen Worten wandte sich der Herr über Alles an den Hohen Lord, als der Held Qu’u zurückkehrte, der erste Gyaryu’har des Volkes. Mit diesen Worten begrüßen wir feierlich den Gyaryu’har Sergei Torrijos, Freund und Nestbruder, der zurückgekehrt …«
    »Täuschung!«, kreischte eine Stimme in der Hochsprache und unterbrach T’te’es Ansprache.
    T’te’e hob seine Flügel in die Pose der Abwehr, dann wandte er sich mit dem chya in der Hand zur Seite, um den Rufer anzusehen, der eben in seiner Nähe landete.
    Einem sofortigen Reflex folgend ließ T’te’e die Klinge sinken und verbeugte sich, während er seine Flügel eng um sich legte. » hi Ke’erl … Ich hatte nicht erwartet, Sie hier zu sehen, Hoher Lord.«
    Die Kameras, die bislang das Geschehen aufgezeichnet hatten, folgten nun Ke’erl HeYen, wie der am Hohen Kämmerer vorbei halb lief, halb flog, bis er neben der Trage des komatösen Gyaryu’har stehen blieb.
    »Täuschung«, flüsterte Ke’erl HeYen. »Die Armee der Schmach rückt weiter vor, während wir hier reden … während wir zitieren, seT’te’e! Und während Sie diese Hülle, dieses Behältnis willkommen heißen …«
    »Der Gyaryu’har, hi Ke’erl …«
    »… ist nicht hier!« Ke’erl HeYen breitete seine Flügel in einer Pose aus, die Wahnsinn, Verzweiflung und eine so tiefe Eindringlichkeit vermittelte, dass T’te’e sie nicht einmal richtig deuten konnte. »Der Gyaryu’har ist nicht hier, T’te’e!«
    Der Hohe Kämmerer zuckte zusammen, als der Hohe Lord seinen Namen ohne das mindeste Pränomen aussprach, sagte aber nichts dazu.
    »Sein hsi ist weit weg – in Ur’ta leHssa.«
    Der Hohe Lord beugte sich über seinen menschlichen Schwertträger, jenen alten Mann, der vor ihm schon seinem Großvater und seinem Vater gedient hatte. Sanfter, als ein menschlicher Beobachter das vermutet hätte, strich Ke’erl mit einer Kralle über Sergeis Gesicht – von der Stirn über die Wange bis hinunter zum ungeschützten Hals.
    Der Hohe Kämmerer beobachtete diese Zurschaustellung von Gefühlen und war einen Moment

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