Bd. 3 - Der dunkle Stern
als habe der Name dieses Ortes tatsächlich etwas Symbolisches … als hätte sie dort mit einer Fähre den Styx überquert.
Du bist zu melodramatisch, überlegte sie und spielte mit dem Essen auf ihrem Teller. Du kennst zu viele Zor-Legenden.
»Du führst zu viele Selbstgespräche«, sagte sie laut, um zu hören, wie ihre Stimme klang. Das ist zum Verzweifeln, fand sie. Sie war völlig allein. Ohne einen guten Freund, dem sie sich anvertrauen und der ihr einen Rat geben konnte.
Andererseits, dachte sie, habe ich immer noch meinen Lenkenden Geist.
Seit der Abreise von Crossover vor vier Tagen war es ihr unbehaglich gewesen, mit Th’an’ya zu reden. So wie sich das Ganze entwickelt hatte, wirkte es, als sei alles von langer Hand geplant gewesen. Th’an’ya fiel dadurch fast in die gleiche Kategorie wie das- oder derjenige, der Jackie manipuliert hatte, sich auf diese Suche zu begeben. Ob es stimmte, wusste sie nicht, doch ihr wurde klar, dass sie auf diesem kleinen Schiff, das sich im Sprung befand, verdammt einsam war.
»Th’an’ya«, sagte sie und konzentrierte sich auf das Bild der Zor-Frau, mit der sie sich ihren Verstand teilte. Sie schloss die Augen, und als sie sie wieder öffnete, war ihr gegenüber Th’an’yas Abbild zu sehen.
»Hier bin ich, se Jackie.«
»Es gibt da ein paar Dinge, die ich besser verstehen muss. Ich … ich weiß nicht mal, wo ich eigentlich anfangen soll …« Sie ließ den Satz unvollendet, da sie tatsächlich nicht weiterwusste.
Th’an’ya sprach stattdessen: »Als ich Lehrerin im Sanktuarium war – als ich noch den Äußeren Frieden wahrte –, leitete ich einen Kurs für Fühlende. Um Situationen zu analysieren, wandten wir eine Technik an, bei der die Ereignisse durchgegangen wurden, die zur jeweiligen Situation geführt hatten. Eine Technik, die wir als ›den Pfad fliegen‹ bezeichnen. Vielleicht sollten Sie diese Methode in Erwägung ziehen, um zu erkennen, wie wir an diesem Punkt angelangt sind. Es könnte Ihnen auch helfen, das zu verstehen, was Sie als Nächstes wissen müssen.«
»Darf ich etwas vorschlagen?«
Th’an’yas Flügel veränderten ein wenig die Haltung, um eine gewisse Belustigung anzudeuten. »Selbstverständlich.«
»Sie sollten ›diesen Pfad fliegen< und für mich erkennen, wie Sie – wie wir – diese Sonne erreicht haben. Ich glaube, das wäre für mich ganz nützlich.«
»Wie Sie wünschen.« Ihre Flügel nahmen eine mehr ehrerbietige Haltung ein. »Es ist angemessen, das Ereignis zu bestimmen, das von der Gegenwart aus am weitesten zurückliegt und in einem direkten Zusammenhang mit der aktuellen Situation steht. Dieses Ereignis dürfte meiner Ansicht nach ein Traum sein, den ich vor fast zwölf Zyklen hatte.«
»Vor zwölf Zyklen?«
»Ich lebte zu der Zeit auf A’aen.« Th’an’ya legte ihre Krallenhände auf den Tisch und musterte sie. »Sie wissen, dass ich mich zum Sanktuarium begab, als meine Fähigkeiten als Fühlende sich zu manifestieren begannen. Nachdem ich die vollständige Kontrolle über sie erlangt hatte, bot mir se Byar HeShri, der Meister des Sanktuariums, dort eine Position als Führerin und Lehrerin an. Nahezu zweimal acht Zyklen arbeitete ich entweder im Sanktuarium oder vertretungsweise in diesem oder jenem Nest. Letztlich kam ich aber zu dem Entschluss, dass ich eine Veränderung nötig hatte. Mit Byars Erlaubnis ging ich nach A’aen, um dort als Gärtnerin zu arbeiten.«
»Als Gärtnerin?«
»Eine sehr entspannende Tätigkeit, ideal, um das hsi zu stärken. Nicht, dass ich das angestrebt hätte. Ich wollte einfach nur fort vom Sanktuarium, einen anderen Flug nehmen. Doch selbst da wurde ich verfolgt. Ich hatte einen Traum: Irgendwo dort draußen in der Leere hatten die esGa’uYal das gyaryu gestohlen, und der große Held Qu’u hatte sich auf den Weg gemacht, um es zu suchen. Hinsichtlich vorhersehender Träume erfordert es einen erfahrenen Fühlenden, um zwischen Fantasie und einem wirklichen Zukunftsbild zu unterscheiden. Der beste Beleg ist die Wiederholung. Taucht der Traum weitere Male auf und ist er inhaltlich identisch, dann ist er für gewöhnlich vorhersehend. Mein Traum wiederholte sich etliche Male – jedes Mal detaillierter und beunruhigender als zuvor. Schließlich musste ich zum Sanktuarium zurückkehren. Innerhalb weniger Tage nach meiner Rückkehr trafen dort mehrere hochrangige Gäste ein, unter anderem der Hohe Kämmerer T’te’e HeYen und letztlich auch der Gyaryu’har.«
»Sie
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