Bd. 3 - Der dunkle Stern
Parlaments hatte in der Begleitung einer Gruppe religiöser Führer ein Dutzend erdähnlicher Welten besucht, die kurz zuvor für eine Kolonisierung freigegeben worden waren. Während die Regierungsvertreter Wasser- und Luftproben nahmen, Fluglinien und Gefahren im All untersuchten und mögliche Standorte für neue Welten auswählten, reisten die Hindu-Priester über die Kontinente, um festzustellen, ob die jeweilige Welt jene schwer fassbaren Eigenschaften besaß, die erforderlich waren, um die Kultur aufblühen zu lassen, die sich dort ansiedeln sollte.
Man einigte sich schließlich auf die siebte Welt, die man besuchte. Der vierte Planet von Iota Cancri kreiste um einen gelben und weißen Doppelstern, der sechzig Parsec vom Sol-System entfernt war. Es gab ausreichend große Mineralienvorkommen, in den Ozeanen lebten essbare Lebewesen, im System gab es nur weniges, was bei der Navigation Schwierigkeiten hätte bereiten können, und stabile Sprungpunkte fanden sich dort ebenfalls. Außerdem verfügte der Hauptkontinent über einen langen, gewundenen Fluss, der sich über ein ausgedehntes, flaches Delta ins Meer ergoss. Es war für die Kolonisten der neue Ganges, weit vom ursprünglichen Fluss dieses Namens entfernt.
Im Verlauf von drei Jahren wanderten drei Viertel der zwei Milliarden Bewohner des indischen Subkontinents dorthin aus. Sie wurden von riesigen Schiffen mit all ihrem Hab und Gut befördert, die vom Sol-System zum Stanton-System einen zweiwöchigen Sprung zurücklegen mussten. Ganz ohne Zwischenfall verlief es allerdings nicht, da es einer Gruppe Terroristen fast gelungen wäre, eines der Schiffe zu zerstören – und damit zweihunderttausend indische Auswanderer zu töten. Zum Glück konnte der Anschlag in buchstäblich letzter Sekunde vereitelt werden.
Nachdem die Auswanderungswelle abgeschlossen war, stellte Stanton eine der bevölkerungsreichsten Welten im Sol-Imperium dar.
Fast drei Jahrhunderte, nachdem die erste Gruppe indischer Würdenträger das Stanton-System begutachtet hatte, konnte die Crew der Negri Sembilan zum ersten Mal einen Blick auf New India werfen. Eine einheimische Stimme begrüßte sie in Standard und lotste sie zum Marinestützpunkt, an dem bereits einige Schiffe festgemacht hatten. Als die Negri sich näherte, zeigte das Pilotendisplay nach und nach die Signaturen dieser Schiffe an.
»Verdammt!«, sagte Owen, als er die Konfiguration auf dem Bugmonitor größer werden sah. »Ich glaube, das ist die Duc.«
Rafe war erst wenige Minuten zuvor auf die Brücke gekommen, sah auf das Display und dann zu Owen, der sich im vorderen Teil aufhielt. »Ich werde gar nicht erst fragen, woher Sie das wissen«, gab er zurück. »Auf jeden Fall haben Sie recht.«
Barbara MacEwan, Captain der Duc d’Enghien, wartete auf dem Hangardeck, als die Gig der Negri aufsetzte. Ihr erfahrenster Fühlender, Gyes’ru HeShri, stand neben ihr, und auf der Empore waren Marines verteilt – bewaffnete Marines, auch wenn das nicht offen erkennbar war.
Er wird es wissen, sagte sie sich. Mach dir nicht vor, er würde es nicht bemerken.
Ein Dutzend ihrer Kampfpiloten hatte sich gegen ihren Befehl auf dem Deck versammelt. Seit sich Owen vor ein paar Stunden von Bord der Negri bei ihr gemeldet hatte, gab es auf der Duc kein anderes Gesprächsthema mehr. Barbara drehte sich um und warf ihren Piloten einen wütenden Blick zu, den die aber gewöhnt waren, sodass sie sich nicht davon beeindrucken ließen. Außerdem stand ihr neuer Staffelkoordinator Van Micic bei ihnen.
»Karen hätte diese Clowns im Griff gehabt«, sagte sie mehr zu sich selbst, auch wenn sie es eigentlich nicht glaubte. Ihre vormalige Koordinatorin Karen Schaumburg hatte vor Kurzem als Captain des leichten Transporters Montgomery ihr eigenes Kommando erhalten. Van war ein akzeptabler Ersatz, doch Barbara war Karens Art gewohnt.
Mit einem Schulterzucken wandte sie sich wieder der Gig zu. Owen Garrett kam auf einer Grav-Plattform aufs Deck herunter und salutierte Barbara, die entsprechend reagierte und bemüht war, eine ausdruckslose Miene zu wahren.
»Bitte um Erlaubnis, an Bord kommen zu dürfen, Ma’am«, sagte er, während er in Habtachtstellung ging.
Barbara sah kurz zu Gyes’ru, der zustimmend nickte. »Erlaubnis erteilt.« Sie streckte ihre Hand aus, um Owen zu begrüßen. »Verdammt gut, Sie zu sehen. Man braucht so schrecklich lange, um euch Kampfpiloten auszubilden, da ist es eine Schande, wenn man einen von euch verliert.«
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