be-coming
gehabt, ich hätte ihn angefallen wie ein wildes Tier. Doch diese Chance ließ er mir nicht – er beherrschte mich, weil er wusste, was in mir vorging. Ich hätte es ihm sagen müssen. Dieser Gedanke raste durch meinen Kopf. Ich hätte ihm sagen müssen, dass ich anders, dass ich viel intensiver fühlte , als andere Menschen ...
Als er fertig war, band er mich los. Ich blieb liegen, wie betäubt. Er drehte mich auf den Rücken, was ich widerstandslos zuließ.
Sanft küsste er die Tränen von meinen Augen, von meinen Wangen. »So etwas sollten wir nicht tun«, sagte er leise.
Ich wusste nicht, was er meinte. Wusste nur, dass er mich besiegt hatte. Ich sah ihn an. Seine Augen waren so kühl und grau wie ein nebelverhangener See.
10
FALK
Ich sah auf ihn herab, sah, wie er zitterte. Vorsichtig fuhr ich mit den Fingern über seinen Rücken, tiefer – zwischen seine Beine. Berührte die wunden Stellen. Er hatte geblutet. Als ich ihn dort berührte, zuckte er zusammen.
»Du bist wund«, stellte ich fest.
»Ja, Falk«, antwortete er knapp.
»Das ist schmerzhaft, nicht wahr?«
Alles in ihm spannte sich. Er hatte Angst, dass ich ihm absichtlich wehtat. Ich lächelte. Wenn er mir nicht antwortete, würde ich das tatsächlich tun.
»Ja, Falk.« Leise, angespannt. Da hatte er noch einmal Glück gehabt.
»War es gestern zu heftig für dich?« Ich sah, wie er rote Ohren bekam. »Ich will, dass du es das nächste Mal sagst.« Ich hörte, wie rasch er atmete.
Dann überraschte er mich, indem er sagte: »Süß wie Zucker.«
»Was meinst du damit?« fragte ich erstaunt.
»Den Schmerz.«
Ich lachte leise. »Steh auf.«
Langsam erhob er sich, den Blick gesenkt. Ich stand ebenfalls auf und half ihm in einen schwarzen, seidenen Morgenmantel. Nun sah er mich fragend an. Ich gestattete ihm diesen Blick und fuhr zärtlich durch sein dichtes Haar.
»Komm, Cieran – ich verwöhn’ dich ein bisschen.«
Ich nahm ihn mit hinunter in den Baderaum. Er ging sehr langsam, wahrscheinlich schmerzte jeder Muskel in seinem geschundenen Körper. Warum ich ihn mir so grob genommen hatte, wusste ich eigentlich nicht. Aber das Verlangen nach ihm war so stark, so mächtig gewesen – ich musste ihn einfach besitzen. Ich hätte auf seine Gegenwehr gefasst sein müssen, stattdessen hatte ich mich davon erregen lassen. Ich hatte ihn vergewaltigt, da machte ich mir nichts vor. Ich fühlte mich schlecht deswegen. Aber offensichtlich hatte er mir schon verziehen.
Ich ließ ihm ein heißes Bad ein. Unsicher starrte er auf den Boden, während wir warteten. Er konnte es immer noch nicht – oder vielleicht jetzt sogar noch viel weniger als vorher. Zwischen uns war etwas. Viel mehr als eine Abmachung , mehr als ein Spiel mit festgelegten Regeln. Er wusste das. Aber er sträubte sich dagegen. Vielleicht hatte er auch einfach nicht damit gerechnet, dass ich ihm gefallen würde.
Er brachte mich durcheinander mit seiner süßen Kindlichkeit. Ich hoffte, dass er sich diese erhielt. Er war so voller Gegensätze, ein Mann, ein Junge, mit düsteren Erinnerungen und fast überschäumender Fröhlichkeit. Ich fragte mich manchmal, woher er diese Energie nahm. Er war zart und schwach und gleichzeitig so stark, dass ich das Bedürfnis hatte, mich bei ihm anzulehnen. Aber ich wusste, was er wollte. Ob daraus mehr werden konnte – das wusste ich nicht.
Ich nahm ihm den Bademantel ab und half ihm in die Wanne. Mit einer Hand konnte ich seinen dünnen Oberarm umfassen.
Mit einem leisen Seufzer ließ er sich ins heiße Wasser sinken.
»Ist das Wasser okay so?« fragte ich.
Er sah mich kurz an. »Hm, ja, danke.« Dann schloss er die Augen wieder.
Ich hätte gern in seinen Gedanken gelesen in diesem Moment. Ich hätte so gern gewusst, was in ihm vorging. Und mir wurde klar, wie wenig ich von ihm wusste.
Wollte er wirklich nur das eine von mir – wie Michael? Ging es ihm ausschließlich um Lust? Ich hatte das große Verlangen, ihn zu verstehen. Doch ich konnte ihn nicht fragen. Es schockierte mich, dass ich ihn nicht fragen konnte. Was war nur los?
Ich fuhr ihm mit den Händen sanft über den Nacken, über die Schultern. Ich spürte, wie er sich einen Augenblick lang anspannte – bis er sich mit einem wohligen Seufzer in meine Hände begab.
Ich wollte mit ihm über gestern reden, vielleicht wollte ich mich entschuldigen. Doch das wusste ich mit Sicherheit – entschuldigen durfte ich mich nicht. Das war es nicht, was er wollte. Darum hatte
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