BE (German Edition)
weiter Ferne. Jemand rempelt mich an der Schulter; ein kleiner, drahtiger junger Mann mit einer schweren Leiter über der Schulter sagt »scusa« und bedeutet mir energisch, ihm nicht im Weg zu stehen. Er kennt mich nicht – woher auch? –, und meine Aufmachung in Jeans und Bomberjacket gibt keinen Hinweis darauf, dass ich der Produzent bin.
Dann kommt die Durchsage des Assistenten »ready to shoot«, und die drei Kameralaute, einer auf dem Gerüst schräg über mir, die anderen beiden schräg links und rechts vor mir, geben ihr Okay. Der riesige Raum wird so still, dass man unwillkürlich den eigenen Atem kontrolliert. Der Kopf des Regisseurs J. J. Annaud dreht sich kurz vor der Szene von ihm weg zu mir. Ich mache mit dem Daumen nach oben Zeichen – toi, toi, toi.
Dann sagt er »roll«. Und jetzt, jetzt kommt der Moment, auf den Hunderte von Menschen mehr als zwei Jahre hingearbeitet haben.
Etwa fünf Meter Leitzordner wurden vollgeschrieben, um die 400 Stunden verhandelt, 16 Drehbuchfassungen von fünf verschiedenen Autoren geschrieben, unzählige Stunden über Konzeption, Drehbuch, Besetzung, Bauten, Kostüme debattiert, unzählige Reisen für Motivsuche, Meetings, Gespräche mit Schauspielern, Architekten, Verleihern, Banken in der ganzen Welt unternommen. Um diesen Moment zu erreichen, wurde die Hoffnung vieler Menschen entflammt und die Hoffnung vieler Menschen zerstört.
Und es wird so weitergehen während der langen sechs Monate des Drehs und der sieben Monate der Nachbearbeitung. Es wird Momente der Euphorie und des Triumphes geben, Momente der Panik und der Verzweiflung.
Aber während ich sehe, wie die kleinen roten Lämpchen an den Kameras blinken und uns anzeigen, dass gedreht wird, während ich fast körperlich spüre, wie der Film durch die Kamera läuft und die ersten Bilder entstehen, steht die Zeit für mich still. Ich habe in diesem Moment alles vergessen, was war, und denke nicht daran, was wird.
Jetzt – in diesem Augenblick – entsteht eine neue Realität. Meine – und keiner weiß davon.
Denn dieser Augenblick gehört mir.
Wie schon bei »Die unendliche Geschichte« war die Finanzierung von »Der Name der Rose« ein Ritt auf der Rasierklinge. Dabei darf man nicht vergessen, dass es bei diesen Wackelpartien nicht nur um Bernds finanzielle Existenz ging, sondern auch um die Arbeitsplätze seiner Mitarbeiter und das mittelfristige Einkommen seiner Crew. Wenn einem Produzenten die Finanzierung platzt und damit der Film auseinanderfällt, verliert er das Vertrauen und den Respekt seiner Crew. Und ohne Crew kein Film. Bernd war immer stolz darauf, dass er seine Crew nicht sitzenließ. Er fühlte sich da, wie er selbst in dem Artikel schreibt, wie ein »Familienvater, der seine Kinder aus der ganzen Welt am Tisch versammelt« und zum Essen bittet. Dadurch ist auch der ein oder andere Film entstanden, den die Welt möglicherweise nicht gebraucht hätte. Aber zumindest hatte die Crew den Job, den er ihnen versprochen hatte. Filmemachen ist zwar, wie Bernd oft sagte, keine demokratische Veranstaltung, aber es ist eine kollektive Veranstaltung, in der das Individuum nur in der Gemeinschaft zählt. Auch das Individuum Bernd Eichinger.
Bei dem Anwalt, den Bernd in dem TransAtlantik -Artikel »Jack« nennt, handelt es sich übrigens um Barry Hirsch. Barry ist ein großartiger Mensch, dessen weisen Sphinx-Blick ich liebe. Barry ist mehr als ein Anwalt, er ist eine Gestalt wie aus einem Märchen. Das gelebte Paradox aus Einfühlsamkeit, Nachsicht und stählerner Härte – aber ohne Ego. Ich weiß nicht, wie er es geschafft hat, all die Jahre in Hollywood zu arbeiten und nicht zynisch zu werden. Er hat die Menschen von ihrer gemeinsten, heimtückischsten und gierigsten Seite gesehen und trotzdem seine Liebe zur menschlichen Seele nicht verloren. Als Bernd und ich uns entschlossen, in Los Angeles in unserem Haus zu heiraten, hatte Bernd die Idee, Barry zu fragen, ob er uns trauen würde, denn er besitzt eine Traulizenz. Drei Tage vor der Hochzeit kam Barry zu einem Vorgespräch vorbei. Zum Abschied meinte er zu mir: »Bernd ist ein harter Bursche. Du musst eine sehr starke Frau sein, dass er dich heiratet.« An Barrys Worte denke ich oft.
Als ich meinem Chef Peter Bart, dem damaligen Chefredakteur von Variety , erzählte, dass ich Bernd Eichinger heiraten und Barry Hirsch uns trauen würde, antwortete er trocken: »Watch out that he doesn’t make it a
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