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BE (German Edition)

BE (German Edition)

Titel: BE (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Eichinger
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Identitätsabgrenzungen derjenigen Gesellschaftsschicht eingerissen, der sich das Feuilleton angehörig fühlte.
    Die Tatsache, dass »Der Name der Rose« mittlerweile als Klassiker gilt, macht es einfach, diese Stimmen zu vergessen. Doch in dem Moment, als die Kritiken erschienen, waren sie alles andere als beruhigend für Bernds Nerven. Jean-Jacques Annaud war von den Kritiken so am Boden zerstört, dass er erklärte, er würde nie wieder Regie führen! Die Kritiken des Feuilletons erschienen am 16. Oktober 1986, dem Tag der deutschen Premiere. Die vielen Presseberichte konnten Bernd nicht beruhigen. Seine Zweifel und Ängste zerrissen ihn: Was wenn die Kritiker recht hatten und der Film mittelmäßig bis schlecht war? Was wenn »Der Name der Rose« schiefging? Die Constantin Film stand mit den Produktionskosten des Films so tief im roten Zahlensumpf, Bernd konnte sich angesichts der schlechten Kritiken nicht mehr vorstellen, dass der Film erfolgreich genug sein würde, um den Laden zu retten. Im Normalfall hätte Bernd diesen Anfall extremer Sorge und Nervosität einfach durchgestanden und auf den Anruf von Michael Marbach gewartet. Marbach hätte angerufen und entweder »Gratuliere« gesagt und ihn mit einem Schlag von allen Sorgen befreit, oder ihm mit einem gedrückten »Guten Abend« seinen Untergang übermittelt. Doch dies war kein Normalfall. Wenn Leo Kirch an die Tür klopft, kann man den Normalfall vergessen.
    Bernd befand sich in dem Hotelzimmer, von wo aus er kurz darauf zur Premiere gehen würde. Er trug schon seinen Smoking und ging wie ein Tiger im Zimmer auf und ab, rauchte Kette. Da pochte es an der Tür. Kirch besaß mittlerweile 49 Prozent an der Constantin Film, denn er hatte den Hasardeur Bernd Schäfers ersetzt. Bernd selbst besaß einen Firmenanteil von 48,5 Prozent. 2,5 Prozent gehörten Herman Weigel. Aber 2,5 Prozent machen den Kohl nicht fett. Kirch war der Mann mit dem Geld, keine Frage. Kirch und Bernd achteten und schätzten einander, aber eine tatsächliche Freundschaft war es nicht. Bernd wusste, dass er bei Kirch jederzeit auf der Hut sein musste. Und nun, da Bernds Nerven bis zum Zerbersten gespannt waren, stand Kirch vor der Tür. Er wolle noch einmal vorbeischauen und ihm »Toi Toi Toi« wünschen. Und ja… da war noch eine Sache … Kirch setzte sich. Bernd ging weiter auf und ab. Er wusste, was jetzt kam. Kirch wollte die Rechte an »Der Name der Rose«. Der Constantin Film würden nur die Rechte zur Kinoauswertung bleiben. Die Rechte zur Fernseh- und Videoauswertung würden an Kirch gehen. Für einen alles andere als hohen Preis. Was sollte Bernd tun? Er stand mit dem Rücken zur Wand. Die Kritiken verhießen nichts Gutes. Schon am nächsten Tag konnte er Schnee von gestern sein. Bernd wusste genau, dass Kirch seine Unsicherheit ausnutzte. Er wusste, dies war kein guter Zeitpunkt, um einen Deal zu machen. Und doch konnte er Kirchs Angebot nicht widerstehen. Bernd schlug ein – und sollte sich ein Leben lang an Kirchs Unverfrorenheit erinnern.
    Trotz Bernds Befürchtungen wurde »Der Name der Rose« ein enormer Erfolg: 5,89 Millionen Besucher alleine in Deutschland. Der Laden war gerettet.
    »Der Name der Rose« erhielt viele Preise, darunter auch den Deutschen Filmpreis, ein heikles Thema, über das Bernd sehr ausdauernd und intensiv reden konnte. Nicht so sehr vor Außenstehenden, aber zu Hause ging es öfter einmal um den Deutschen Filmpreis und dabei insbesondere um die folgende Geschichte: Zu Zeiten von »Der Name der Rose« war der Deutsche Filmpreis noch keine Statue, sondern ein in Metall gegossenes Stück Zelluloid. Jedoch wie heute auch, gab es die Unterscheidung zwischen dem ersten Preis, dem Deutschen Filmpreis in Gold, und dem zweiten Preis, dem Deutschen Filmpreis in Silber. »›Der Name der Rose‹ hatte gewonnen, und ich wurde auf die Bühne gebeten. Mir wurde der Preis überreicht, und ich habe mich auch ganz artig bedankt. Nur … das Scheinwerferlicht hat mich so geblendet, es war alles so hell. Deswegen habe ich erst, als ich wieder auf meinem Platz saß, gesehen, dass ich nicht den Preis für den besten Film in Gold, sondern den beschissenen zweiten Preis in Silber gewonnen hatte! Hätte ich das oben auf der Bühne gemerkt, ich hätte denen ihren Dreckspreis vor die Füße geworfen!! Welcher deutsche Film war in dem Jahr bitteschön besser als ›Der Name der Rose‹? Huh? Welcher Film sollte das gewesen sein?« Der Film, der besser gewesen sein sollte,

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