BE (German Edition)
»Scheiße«, »Arschloch« oder »Neger«. Wenn ihm etwas nicht passte, riss er sich das Mikro vom Leib und stürmte aus dem Studio. Bernd wurde zum gefürchteten Talkshowgast, zum Enfant terrible der deutschen Fernsehkanäle, von denen es damals ja nur sehr wenige gab. Wenn sich jemand in den Achtzigern nicht an das Protokoll hielt, fiel es auf. In eine Talkshow, von der Bernd mir erzählte, war ein Transsexueller eingeladen worden, der von einer Frau zum Mann geworden war. Dieser Transsexuelle verbrachte viel Zeit damit, über die kulturellen, psychologischen und soziologischen Aspekte seiner Geschlechtsumwandlung zu sprechen. Der große weiße Elefant im Raum wurde immer größer und die Zeit, in der Bernd über seinen Film sprechen konnte, verkürzte sich zusehends. Schließlich wurde es Bernd zu blöd und er nannte den Elefanten beim Namen: Ob denn bei der Operation ein funktionierender Penis zustande gekommen sei, wollte Bernd wissen. Das Studio explodierte vor Empörung. Bernd hatte das Tabu gebrochen, das letztendlich der Ursprung der Faszination war, die die Zuschauer für den Transsexuellen empfanden. Er hatte ihren Voyeurismus bloßgestellt und dafür musste er büßen. Bernd sollte sich entschuldigen! Es war eins der wenigen Male, dass er dies tatsächlich tat.
Herman Weigel beschreibt Bernds Verhältnis zur Persona Bernd Eichinger so:
Bernd hat gerne den flamboyanten, wild lebenden, manchmal nicht ganz druckreif redenden Berserker rausgekehrt. Er wollte eben nicht der brave Bernd sein, der ordentlich seinen Spruch runtersagt. Er wollte dieses Spiel nicht mitspielen. Was er wollte, war eine sofortige, unmittelbare Beziehung zum Publikum herstellen, das gerade vor ihm saß, indem er irgendetwas spontan machte. Wenn man das dann im Fernsehen sah, dachte man sich: Was stottert und tölpelt der denn da so rum? Und die Reaktion vieler Leute war dann eben auch: Also, besonders schlau ist der aber nicht. Was natürlich aberwitzig ist. Bernd war absolut ausgeschlafen und ein hervorragender Autor. Er wollte eben geliebt werden, aber zu seinen Bedingungen. Wenn die Leute ihn liebten, dann hat er die Messlatte immer noch ein wenig höher gehängt und gefragt: Liebt Ihr mich auch, wenn ich Euch’s extra schwer mache, weil ich mich danebenbenehme?
Bernd ließ es krachen, keine Frage. »Erst essen im Romagna Antica, dann trinken im Schumann’s und dann in die Disco ins P1, bis irgendjemand gekotzt hat … so war das fast jeden Abend«, so Anna Gross. Bernd erzählte mir Ähnliches. Allerdings war Bernd nie derjenige, der sich übergab. Der Alkoholkonsum war substanziell und die Nächte sehr, sehr lang. Im Romagna Antica hatte die Constantin Film jeden Abend drei Tische, an denen Bernd Hof hielt. An einem weiteren Tisch saß, ohne dass das jetzt einen geschäftlichen Zusammenhang hätte, Helmut Dietl. Der Rest der Gäste bestand aus Leuten, die den Geschehnissen an diesen Tischen zuschauen wollten. Es war wie eine Bühne. Jeden Abend. Bernds Lachen schallte durch das Restaurant, und nicht selten endete ein Abend damit, dass Bernd Weingläser zerdepperte. Die Rechnungen wurden monatlich beglichen und betrugen um die zehntausend Mark. Damals eine Menge Geld.
Neben dem Romagna Antica residierte Bernd im Schumann’s, der legendären Bar von Charles Schumann. Das Schumann’s befand sich damals nicht wie heute in der Ludwigstraße, sondern noch in der Maximilianstraße, dem Münchner Äquivalent vom Rodeo Drive. Bernds Affinität zum Schumann’s ging so weit, dass Herman Weigel den Eindruck hatte: »Der Bernd kam ja gar nicht mehr ins Büro! Wenn ich wissen wollte, was Bernd denkt, musste ich mit den Leuten reden, mit denen Bernd im Schumann’s geredet hat. Das Büro fand im Schumann’s statt.« Nun muss man dazu wissen, dass Bernd und Herman ein völlig unterschiedliches Verhältnis zu ihrem Büro hatten. Herman geht gerne ins Büro. Am liebsten frühmorgens, wenn noch niemand da ist. Bernd dagegen verbrachte in seinem Leben zwar extrem viel Zeit in seinem Büro, aber seine Idealvorstellung war immer, völlig ohne Büro zu leben und stattdessen in die Büros seiner Mitarbeiter oder Geschäftspartner zu gehen.
Das Schumann’s wurde 1982 eröffnet. Die Bar ist eine Institution nicht nur innerhalb Münchens, sondern auch in Vergleich mit Bars in New York, Los Angeles, London oder Berlin. Bernd und ich haben viel Zeit in den Bars diverser Weltstädte verbracht. In Sachen Seriosität sowohl der Drinks
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