BE (German Edition)
wollte, ist kein Geheimnis. Helmut Dietl machte 1997 einen ganzen Film darüber, »Rossini – oder die mörderische Frage, wer mit wem schlief«, in dem auch das Dreiecksverhältnis zwischen Bernd, Jane Seitz und Wolf Wondratschek erzählt wird. Es ist auch ein Film über die achtziger Jahre in München. Der Titelzusatz stammt übrigens von Wolf Wondratschek, und Bernd zahlte ihm dafür eine nicht unbeträchtliche Summe. »Rossini« ist ein großartiges Gesellschaftsportrait des Wahnsinns und des Überschwangs dieser Szene, die sich um Bernd und Helmut Dietl im Romagna Antica entwickelt hatte. Dieser Ansicht war auch Bernd, der nicht bestritt, dass Heiner Lauterbachs Darstellung einer klar an Bernd angelehnten Figur teilweise sehr originalgetreu war. Und doch hatte Bernd eins an »Rossini« auszusetzen: »Wir waren damals alle viel jünger als die Schauspieler im Film! Ich war gerade mal Mitte dreißig, als Süskinds Roman herauskam. Mitte dreißig ist es noch okay, wenn man so laute Töne spuckt. Das ist noch mit jugendlichem Größenwahn zu entschuldigen. Wenn man aber weit über vierzig ist, wie eben die Schauspieler in ›Rossini‹, ist so ein Verhalten lächerlich.«
Das Image des »Besessenen« blieb an Bernd haften. Sogar zahlreiche seiner Nachrufe bezeichneten in als solchen. Für mich war das immer ein lapidarer und letztendlich missglückter Versuch der Umschreibung, was Bernd so besonders machte. Was heißt das denn, »besessen«? Wie Hamlet, der besessen ist vom Geist seines Vaters und dadurch in eine Starre verfällt? Der dadurch nicht mehr Herr seiner Zeit ist, sondern, wie Lacan es ausdrückt, von der »Zeit der Anderen« regiert wird? Sicherlich nicht. Bernd konnte – und er hat es wirklich versucht – mit »Hamlet« nichts anfangen. Er hat nie verstanden, warum »Hamlet« Shakespeares bestes Werk sein sollte. Das neurotische Abwägen eines jeden Gesichtspunktes, besessen von einer Idee, die aber zu keinen Taten, sondern nur zu weiteren Überlegungen führt, war für ihn abstoßend. Besser einen Fehler zu begehen, als stehenzubleiben. Als der Interviewer in einem SFB-Portrait über Bernd »Was will der Leopard auf dem Kilimandscharo« fragt, was ihn antreibe, lautet seine Antwort:
»Jeder Mensch, der nicht gleich aufgibt, will wissen, was in einem drinnen steckt und ich will wissen: was steckt in mir drin?« Arbeit war für Bernd sowohl Selbstverwirklichung als auch Selbstfindung. Manche Menschen verwirklichen sich durch ihre Kinder, manche durch ihre Hobbys und manche durch ihre politischen Aktivitäten. Bernd hat sich durch seine Arbeit, durch das Filmemachen selbstverwirklicht, hat sich realisiert – sowohl im Sinne von sich selbst manifestieren als auch im Sinne von sich selbst erkennen. Und nichts und niemand konnte oder durfte ihm bei dieser Mission im Wege stehen. Man war entweder mit ihm oder gegen ihn auf seinem Kriegszug, sich gegenüber der Welt zu manifestieren. Es war nicht Besessenheit, sondern eine extreme Form der Konzentration. Alles oder nichts. Keine Kompromisse. Zahllose Menschen haben von Bernds Form der Selbstverwirklichung profitiert. Haben sich ebenso wie Bernd über die Filme, die er produzierte, selbstverwirklicht. Denn das Schöne an Bernds Form der Selbstverwirklichung war, dass seine die Verwirklichung anderer nicht ausschloss.
Warum eigentlich dieser Drang, sich manifestieren zu wollen? Einerseits gab es da das schon erwähnte Schlüsselerlebnis des Selbstekels, als er seiner Mutter das Foto von sich mit der Tabakpfeife schenkte, nur um ihr zu gefallen. Das sollte ihm nie wieder passieren! Nie wieder diese ödipale Verschmelzung zur narzisstischen Begeisterung der Mutter. Andererseits war da das Erlebnis des Internats, des Weggesperrtseins, des Ignoriertwerdens. Mit dem Abitur war er frei. Niemand würde ihn mehr wegsperren! Er würde der Welt zeigen, dass er existierte. Und dies ist tatsächlich die Parallele zwischen Bernd Eichinger und Jean-Baptiste Grenouille. Jedenfalls dem Grenouille, wie er im Film »Das Parfum« dargestellt wird: Er wollte von der Welt wahrgenommen werden – indem er sie verführte.
Aber Bernd wollte die Welt nicht verführen, indem er den perfekten Schwiegersohn markierte. Im Gegenteil. Er war der bad boy , der sie trotzdem alle mit seinem gnadenlosen Charme rumkriegte. Dieser missratene Prinz, dessen Erfolg niemand ignorieren konnte, tauchte unrasiert und sichtlich übernächtigt in Talkshows auf, und benutzte freizügig Worte wie
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