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BE (German Edition)

BE (German Edition)

Titel: BE (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Eichinger
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behalten. Annaud kehrte nach München zurück, in die Büros der Constantin in der Schwabinger Kaiserstraße, und fuhr mit dem Fahrstuhl nach oben, wo sich bisher Bernds Büro befunden hatte. Als er aus dem Fahrstuhl stieg, starrten ihm jedoch nur fremde Gesichter entgegen. Wo denn Bernd Eichinger sei, wollte Annaud wissen. Bernd Eichinger? Keine Ahnung, wer das sei, entgegnete man ihm. Constantin Film? Hmm, waren das vielleicht die Verrückten unten im Keller? Annaud hatte das Gefühl, durch einen surrealen Albtraum zu wandeln. Er ging zurück in den Fahrstuhl und fuhr in den Keller. Und tatsächlich: Dort saß Bernd an einem Schreibtisch auf Tapezierstelzen, die Beine wie immer auf die Tischkante gelegt, und lachte ihn an. Ja, es hätte sich einiges während der Dreharbeiten geändert! Annaud habe jetzt auch ein neues Büro. Bernd stand auf und öffnete lachend eine Tür. Es war die Tür zur Besenkammer. Einer von Bernds Witzen, aber Tatsache war, dass Bernd während der Dreharbeiten in enorme finanzielle Schwierigkeiten geraten war. Annaud: »Das Unfassbare und wirklich Einmalige war, dass Bernd all diese finanziellen Sorgen von mir ferngehalten hat. Hätte ich davon während der Dreharbeiten gewusst, hätte mich das natürlich sehr belastet. Aber Bernd hat dafür gesorgt, dass ich nichts davon wusste und mich völlig auf den Film konzentrieren konnte. Genau das macht einen guten Produzenten aus! Dass er seinen Regisseur nicht mit seinen Sorgen belastet. Das sollte sich jeder Filmstudent und jeder Jungproduzent hinter die Ohren schreiben!«
    Mit dem Ende der Dreharbeiten begann die Nachproduktion, wie gesagt mit Jane Seitz als Cutterin. James Horner schrieb einen phantastischen Soundtrack, der die unheimliche Atmosphäre des Klosters noch intensivieren sollte. Erst ganz zum Schluss, als der Film schon fertig geschnitten war, entstand übrigens die Erzählerstimme, das sogenannte Voice Over. Die letzten Sätze des Erzählers stammen von Bernd … der damit nicht nur erklärte, was es mit dem Titel auf sich hatte, sondern sich als der große Romantiker verriet, der er war:
     
    Jetzt, da ich ein alter alter Mann bin, muss ich gestehen, von den vielen Menschen, denen ich in meinem Leben begegnet bin, sehe ich ein Gesicht so deutlich vor mir wie damals. Das Gesicht des Mädchens, von dem ich in all den Jahren nie aufgehört habe zu träumen. Sie war die einzige Liebe meines Lebens. Dennoch … nie wusste ich, wer sie war, noch erfuhr ich je ihren Namen.
     
    In Deutschland löste der Film einen riesigen Presserummel aus. Fotostrecken in Zeitschriften, Interviews, Artikel darüber, wie in »Der Name der Rose« das Mittelalter zum Hauptdarsteller gemacht wurde. Es war ein Medienereignis. Bernd hatte es wieder geschafft. Er hatte einen Stoff, in dem so gut wie kein Sex vorkommt, in dem die männliche Hauptfigur keinen Sex hat und in einer hässlichen grauen Kutte herumläuft, mit einer voyeuristischen Erotik versehen, der man sich nicht entziehen konnte. Von diesem Film ging ein Magnetismus aus, der unwiderstehlich war und weit entfernt von einer »Bestsellerverfilmung« seine Wirkung tat. Dieses Unwort wird im deutschen Journalismus gerne abfällig im Sinne von »risikofrei« benutzt. Als wäre die Verfilmung eines Bestsellers ein Garant für Kinoerfolg. Als hätten die Leute nichts Besseres zu tun, als sofort ins Kino zu rennen, weil da gerade ein Film läuft, dessen Buchvorlage sie schon gelesen haben. Wer so denkt, sollte sich vergegenwärtigen, wie viele Bestselleradaptionen es gibt, die im öffentlichen Bewusstsein überhaupt nicht existieren. Wer kann sich noch an die Verfilmung von Gabriel García Márquez’ Roman »Liebe in den Zeiten der Cholera« oder von Philip Roths »Der menschliche Makel« erinnern? Niemand. Das liegt wahrscheinlich daran, dass es erstens keine guten Filme sind und zweitens diese Filme keinerlei Erotik ausstrahlen.
    Das deutsche Feuilleton, wie könnte es anders sein, hasste »Der Name der Rose«. Umberto Ecos Roman war das Wunder gewesen, mit dem das Bildungsbürgertum seine Existenz rechtfertigen konnte: Bildung und die Liebe zum Wissen wurden auf das Schönste und Eleganteste mit Spannung und Erzählkunst verbunden. Und nun kam dieser Bernd Eichinger daher und machte dieses Wunder massentauglich, machte es zum Objekt voyeuristischer Lust. Plötzlich musste man nicht mehr das Buch gelesen haben, um den Namen der Rose zu kennen. Bernd hatte eine unverzeihliche Straftat begangen und die

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