BE (German Edition)
seinen Cocktail zu trinken und mit dir zu reden. War nicht so gejagt und so gehetzt wie früher. Früher ging’s immer darum, was er noch alles machen und wen er noch alles anrufen musste. Er stand immer unter Strom. Immer. Am Schluss war er eigentlich der ideale Bargast. Am Anfang musste man immer auf ihn aufpassen. Dass nix passiert.
Was hätte passieren können?
CS: Dass er sich mit jemanden angelegt hätte oder was auch immer. Das war schon immer eine Wackelpartie.
Bei einer dieser Post-Name-der-Rose-Nächte im Schumann’s kam es zu einer Unterhaltung zwischen Bernd und einem deutschen Journalisten, der hier ungenannt bleiben soll. Es war spät in der Nacht und der Journalist hatte einiges getrunken. Er lehnte sich zu Bernd, der an der Bar stand und sich nichts Böses dachte. »Eichinger …«, knurrte der Journalist, »du bist ausgeschrieben!« »Wahrscheinlich meinte der das gar nicht böse. Der meinte nur, ich sei halt keine Story mehr, weil ja schon alles über mich als Person gesagt worden sei. Also … das muss man sich mal vorstellen – da war ich gerade mal 37, und du bekommst gesagt, du bist ausgereizt«, so Bernd, der diese Geschichte immer wieder erzählte. So lächerlich er die Aussage des Journalisten auch fand, irgendetwas daran muss ihn angekratzt haben. Einfach von sich schütteln konnte er die Aussage nicht.
In einer dieser langen Nächte, im Januar 1987, als Bernd einmal nicht mit seinem Fahrer unterwegs war, sondern selbst am Lenkrad seines schwarzen Mercedes 500 saß, rammte er im Suff mehrere parkende Autos und wurde sich erst wirklich bewusst, was passiert war, als die Polizei an seine Wohnungstür klopfte. Der Führerschein war weg, und die Geschichte machte natürlich Schlagzeilen. Alkohol am Steuer, zu Recht eine sehr ungute Sache. Mit diesen Negativschlagzeilen konnte Bernd allerdings leben. Schlagzeilen, die ihn jedoch ganz massiv störten, waren die, die der Herstellungsleiter von »Der Name der Rose« und damalige Geschäftsführer der Produktionsabteilung der Constantin, Thomas Schüly, fabrizierte, als er ein Interview im Focus gab, in dem er behauptete, Bernd Eichinger würde ihn betrügen. Das Interview traf Bernd wie ein Blitzschlag aus heiterem Himmel. Schüly hatte zuvor nichts davon anklingen lassen. Es war eine reine Behauptung, die sich aber in Windeseile in den deutschen Zeitungen verbreitete.
Plötzlich war Bernd also ein Betrüger. Die Münchner Staatsanwaltschaft erwirkte einen Durchsuchungsbeschluss für Bernds Wohnung. Bernd war offiziell immer noch bei seinen Eltern gemeldet. Dies bedeutete, dass plötzlich ein Durchsuchungskommando der Polizei bei Bernds Eltern in Rennertshofen auftauchte und vollkommen sinnlos das Haus auf den Kopf stellte. Bernds Eltern waren fassungslos und glaubten natürlich der Polizei. Ihr Sohn, ein Krimineller! Der Vater hatte es ja immer gewusst, dass es so kommen würde! Bernd war außer sich. Seine erste Reaktion war, dieser Schmierkampagne auch öffentlich entgegenzuwirken und per Zeitung zurückzuschießen. Aber ganz wohl war ihm bei der Sache nicht. Und wie so oft, wenn es um Fragen der Strategie und der Öffentlichkeit ging, holte Bernd sich Rat ein. Er bat Leo Kirch um ein Treffen und schilderte ihm sein Problem. Leo Kirch riet Bernd davon ab, öffentlich gegen Schüly vorzugehen und erst einmal abzuwarten, was von dem Sturm im Wasserglas übrig bleiben würde. Auch wenn es gegen seinen Instinkt ging, folgte Bernd Leo Kirchs Rat und saß die Sache aus.
Wirklich vergeben hat Bernd Thomas Schüly nie. Bernd und ich unterhielten uns oft über Rache und Vergebung, schließlich ist Rache ein immer wiederkehrendes Motiv in Bernds Filmen. Auch wenn Bernd Rache als Emotion ablehnte, denn wie es in »Das Geisterhaus« heißt, Rache führt zu nichts, so lebte er seine Rachephantasien doch immer wieder in seinen Filmen aus. Im echten Leben setzte er alles daran, sich nicht mit dem Ballast alter Aggressionen zu beschweren und vergab gerne und schnell. Nur zwei Leuten konnte er nicht vergeben: Dem Regieassistenten von »Seine Scheidung, ihre Scheidung – Divorce His, Divorce Hers« und Thomas Schüly. Kurz nach dieser Unterhaltung fuhren wir nach Cannes zu den Filmfestspielen 2006. Wir liefen gemeinsam die Croisette entlang, als Bernd mich am Arm berührte und mit dem Kopf auf einen Mann wies, der uns entgegenkam. »Da … da kommt er. Thomas Schüly.« Bernd hielt kurz inne und überlegte. Dann fasst er sich ein Herz, ging auf
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