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BE (German Edition)

BE (German Edition)

Titel: BE (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Eichinger
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diesem Sinn einfach nicht männlich genug gewesen. Er wiederum mäkelte an ihr herum, wenn sie sich im Laufe eines langen Abends nicht mal zwischendurch ihr schönes Haar kämmte und den Lippenstift nachzog. So eine Haarpracht, das sei doch ein Gottesgeschenk, darauf müsse man aufpassen! Und überhaupt, eine Frau habe immer einen Kamm bei sich zu tragen! Eine Frau muss ständig auf ihr Äußeres achten! Eine Frau muss ihre Schönheit pflegen und ehren! Diese »ich will aber auch mal hässlich sein dürfen«-Anwandlungen, gerade von so schönen Wesen wie Bärbel, verstand er nicht, ebenso wenig wie er sie bei Hannelore Elsner verstanden hatte. Es gab zwischen den beiden also abweichende Vorstellungen von »Männlichkeit« und »Weiblichkeit«, die sie zwar beide sportlich wegsteckten, auf Dauer jedoch zermürbten. Sie blieben zusammen, weil sie sich so gut verstanden und große Zuneigung füreinander empfanden. Aber Bernd meinte, Bärbel habe immer wieder zu ihm gesagt, wie sehr sie sich danach sehnte, sich wirklich in jemanden zu verlieben. Und so verabredeten sie, die Beziehung einfach weiterlaufen zu lassen, bis einer von ihnen sich neu verliebte.
    Dieser Satz, »eine Frau hat immer …« oder »eine Frau muss …« hat Bernd bei mir auch immer wieder versucht. Ich dachte dann: Von welcher Frau redet er da bloß? Gut, ein paar von Bernds Ratschlägen in Sachen Weiblichkeit hatten ja Sinn: zum Beispiel dass man bei einer Abendveranstaltung immer einen Schal dabeihaben sollte, damit man nicht sich selbst und allen anderen den Spaß verdirbt, wenn man frierend herumsteht und nach Hause will. Aber ansonsten ging ich, wenn Bernd wieder mal mit »eine Frau muss immer …« anfing meistens auf Screensaver.
    Nur bei dem Grundsatz »eine Frau muss Haare schneiden können …« blieb Bernd unnachgiebig. Bernd hasste es nämlich, zum Friseur zu gehen, denn das war fast genauso schlimm wie ein Zahnarztbesuch. Er saß dabei jedes Mal in einem Stuhl fest und musste ertragen, wie jemand an seinem Kopf herumhantierte. Als seine Haare sich wieder einmal wollig lockten, kam es ihm plötzlich in den Sinn: »Eine Frau muss Haare schneiden können!« Einfach so. Eine neue Grundsatzregel in Sachen Weiblichkeit. Gegenwehr zwecklos. Dies ging so weit, dass ich am 23. April 2010, dem Tag, als Bernd den Preis für sein Lebenswerk von der Deutschen Filmakademie bekommen sollte, mit ihm im Badezimmer unserer Suite im Hyatt Hotel saß. Bernd hockte in seiner Unterhose auf dem Klodeckel und ich hantierte ungeschickt mit einer Nagelschere herum, weil seine Haare über den Ohren seiner Meinung nach zu lang waren. Bernd war schrecklich nervös und gab mir Anweisungen, wie ich ihm die Haare zu schneiden hätte. Ich solle mich nicht so anstellen! Das sei doch ganz einfach! Die Friseure würden das immer so und so machen! Ich schwitzte Blut und Wasser.
    Ich konnte es nicht! Jedenfalls nicht allein. Irgendwann stellte sich Bernd vor den Spiegel, und gemeinsam haben wir ihm dann irgendwie die Haare geschnitten. Auf die Idee, beim Concierge anzurufen und einen Friseur zu bestellen, sind wir beide nicht gekommen. Wir waren wie zwei aufgeregte Kinder in einer vernunftfreien Zone. Definitiv der lustigste Moment eines gewaltigen Tages. So viel dazu, was eine Frau unbedingt können muss.
    Bärbel Rudnik war etwas willensstärker und auch aufbrausender als ich. Sie hatte Ecken und Kanten, doch gepaart mit ihrer sinnlichen Schönheit war es ja eben genau das, was ihren einzigartigen Charme ausmachte. Ich mochte sie sehr und habe die Unterhaltungen mit ihr, ihren trockenen, direkten Humor sehr genossen. Sie ist auch der Grund, warum ich nach unserer Hochzeit Bernds Namen annahm. Bernd und ich hatten gerade geheiratet, und ich flog zur Berlinale 2007, um von dort für Variety zu berichten. Am Flughafen Tegel, bei der Gepäckausgabe, begegnete ich Bärbel, und wir teilten uns ein Taxi. Als sie erfuhr, dass ich noch nicht genau wüsste, ob ich Bernds Namen annehmen, meinen eigenen behalten oder vielleicht einen Doppelnamen wählen sollte, wusch sie mir gehörig den Kopf. Ich hätte Bernd doch geheiratet, jetzt solle ich auch gefälligst dazu stehen. Sonst sei das Ganze doch nur eine halbe Sache und genau das hätten Bernd und ich doch durch die Heirat vermeiden wollen! Der Name sei doch schließlich auch ein Zeichen dafür, dass sich etwas in meiner Identität verändert hätte. Als ich aus dem Taxi ausstieg, hieß ich Katja Eichinger.
    Bärbels Tod im Mai 2009

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