BE (German Edition)
Schüly zu, begrüßte ihn und reichte ihm die Hand. Es war nur ein kurzer Small Talk. Danach gingen wir weiter. »So …«, meinte Bernd, »jetzt hab ich das auch gemacht.« Es war zumindest ein Versuch.
Wenn man sich Interviews aus dieser Zeit mit Bernd anschaut, dann tritt da ein seltsamer Widerspruch zutage: Einerseits soll Bernd der »Besessene« sein, andererseits wird ihm rein wirtschaftliches Kalkül vorgeworfen, das die Kunst am »Altar des Massengeschmacks« opfert. Das ist ein Widerspruch deswegen, weil Besessenheit nichts anderes bedeutet, als dass man nicht mehr Herr seines Verstandes ist. Besessenheit ist das Ende der Ratio. Trotz aller Exzesse, trotz aller Leidenschaft, mit der Bernd für ein Projekt kämpfte, er verlor nie seinen Verstand. Jedenfalls nicht den gesamten. Kein Mensch kann so lange so erfolgreich sein, wenn er einfach nur »besessen« ist. Leidenschaft ohne Kalkül mag zum gelegentlichen Erfolg führen, aber wenn der Verstand nicht regelmäßig Holz nachlegt, wird vom Feuer der Passion irgendwann nur kalte Asche übrig bleiben. Vielleicht wäre es in den Augen der Journalisten besser gewesen, Bernd hätte irgendwann den Verstand komplett verloren, denn genau sein kühles Überlegen und Planen, die strategische Vermarktung seiner Filme, erweckte bei den Journalisten Misstrauen. Wenn man sich diese Interviews mit Bernd von damals durchliest oder ansieht, erfährt man viel über das damalige Verständnis von Kino und populärer Kultur – und wie viel sich seitdem verändert hat. Damals herrschte eine große Verwunderung darüber, dass das deutsche Kino tatsächlich ein kommerzielles Unterfangen sein kann bzw. sein darf.
Dabei schwingt natürlich immer noch die Kritik der Frankfurter Schule, das heißt Max Horkheimers und Theodor Adornos mit, die mit ihrem Essay »Kulturindustrie – Aufklärung als Massenbetrug« das Konzept von Kultur als Ware als Essenz eines kapitalistischen Verblendungsmechanismus darstellten. Basierend auf dieser Kritik der Frankfurter Schule war 1962 das Oberhausener Manifest entstanden, in dem sich deutsche Filmemacher wie Alexander Kluge und Edgar Reitz bewusst von Opas Unterhaltungskino und dem Eskapismus des deutschen Heimatfilms abwandten, um ein neues, von kommerziellen Gesichtspunkten befreites deutsches Kino auszurufen. Die Ideen dahinter waren auch Anfang der Achtziger noch immanent. War Bernd, der sich selbst als »unpolitisch« bezeichnete, möglicherweise nichts anderes als eine Auferstehung des Unterhaltungskinos der Fünfziger, das sich ja eben unpolitisch gegeben und dadurch politisch konservativ gewesen war? Unrasiert und in Turnschuhen mochte dieser fluchende Bayer daherkommen. Aber er scheute sich nicht, sich mit dicker Hose in den Unterhaltungssendungen des deutschen Abendprogramms zu präsentieren. Und dazu verkündete Bernd auch noch unbekümmert: »Kino ist das Herstellen von Gefühlen!« Für Bernd war Manipulation kein Schimpfwort, sondern genau das, was er sich auf die Fahnen geschrieben hatte. Manipulation von Gefühlen? Man wusste in Deutschland doch nur zu gut, wo das hinführen konnte! Dieser Mann war ganz offensichtlich dubios.
Eine der Unterhaltungssendungen, in der Bernd damals auftrat, war »Stars in der Manege«. In dieser Sendung führten Prominente Zirkustricks für einen guten Zweck vor. Bernd, der an extremer Höhenangst litt, entschloss sich, den »Todessprung« zu machen. Um zu verstehen, wie irrsinnig das ist, dass Bernd gerade diese Nummer wählte, muss man wissen, dass er schon Probleme damit hatte, vier Stufen auf seiner Bibliotheksleiter hinaufzusteigen. Drei Stufen waren das Maximum. Das wusste das Publikum nicht, aber Bernd wusste es. Und sich selbst wollte er beweisen, dass er seine Angst überwinden konnte. Er zog sich also einen roten Satinanzug an, ließ sich von der hübschen Zirkusassistentin ein Kamikaze-Stirnband umbinden, und wurde dann in einem Reifen sitzend bis hoch in die Zirkuskrone gezogen – ohne Netz oder Sicherheitsseile. Geprobt hatte er den Sprung nicht. Vielmehr hatte ihm der Artist vorher gezeigt, wie er seinen Fuß durch die Schlinge stecken musste, damit er nicht hinunterfiel. Kopfüber an der Schlinge hängend schlitterte er ein Drahtseil hinunter, bis es plötzlich so aussah, als würde das Seil reißen, und – das Publikum schrie auf – er stürzte in die Tiefe. Alles ging gut. Nach ein paar Minuten war die Nummer vorbei, und Bernd hatte sich bewiesen, dass seine Angst keine Macht über
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