BE (German Edition)
vorstellen, diese Szene als Schwangere zu spielen. Auch wenn es nur gespielt war, diese Emotionen würde sie fühlen müssen. Sie würden durch ihren Körper fließen. Das konnte sie ihrem ungeborenen Kind nicht zumuten. Bernd seufzte. Das war ein herber Schlag. Besonders so kurz vor Drehbeginn. Aber er musste Patricia Arquette recht geben. Letztendlich war dies »just another movie«, wie Bernd sich oft versuchte zu erinnern. Das Kind war wichtiger.
Bernd hatte das große Glück, Jennifer Jason Leigh als Ersatz zu finden. Leider war ihre Oberweite bedeutend kleiner. Die Kostümbildnerin würde einige Probleme haben, ihr ein »beste Titten der westlichen Welt«-Dekolleté zu verpassen. Aber egal. Alles war gut. Jetzt konnte nichts mehr schiefgehen … oder? Hysterischer Anruf des Maskenbildners: Jennifer Jason Leigh ist soeben für Make-up-Tests eingetroffen – mit pechschwarzen Haaren! Niemand hatte daran gedacht, sie nach ihrer derzeitigen Haarfarbe zu fragen, und für ihre letzte Rolle waren ihr die Haare schwarz gefärbt worden. Eine Tralala mit schwarzen Haaren? Nie im Leben! Das Problem mit dem Haarefärben ist allerdings folgendes: Man kann gefärbte Haare nicht einfach so blondieren. Besonders nicht, wenn sie tiefschwarz gefärbt sind. Die Chemikalien, die es bedarf, um die schwarzen Pigmente aus den Haaren zu entfernen, zerstören auch gleichzeitig das Haar. Trotzdem wurde Jennifer Jason Leigh in einen teuren New Yorker Haarsalon gefahren, wo sie eine mehrstündige Tortur über sich ergehen lassen musste. Immer wieder wurde ihr Blondierungspaste aufgetragen und fraß sich in ihre Haare. Ihre Kopfhaut brannte höllisch. Schließlich erneut ein verzweifelter Anruf bei Bernd: Jennifer Jason Leigh fielen die Haare aus! Das fing ja schon mal gut an. Die erste Hauptdarstellerin war im Zuge der Vorproduktion schwanger geworden und die zweite glatzköpfig.
Bernd, der ja wie schon erwähnt sowohl einen Haartick wie auch eine Perückenphobie hatte, war verzweifelt. Eine Perücke konnte er immer erkennen! Und wenn er sie erkannte, würden auch andere sie erkennen. Und wenn andere sie erkannten, würde der ganze Film UNMÖGLICH werden! Nun gut. Er würde es versuchen. Eine Perücke sollte geknüpft werden. Das Resultat fand Bernd grauenhaft. Jedes Mal, wenn ihm die Perücke erneut vorgeführt wurde, war Bernd entsetzt. Aus lauter Verzweiflung ließ er sogar einen Perückenspezialisten aus England einfliegen, denn dort gibt es aus irgendeinem Grund die besten Perückenmacher. Doch auch der brachte anfangs keine Wunder zustande. Am nächsten Tag sollte gedreht werden, aber Bernd weigerte sich, Jennifer Jason Leigh so vor die Kamera zu lassen. Lieber verschob er den Dreh, als dass er Uli zum Oliver Stone Brooklyns – also zum schlechtesten Perückenregisseur der westlichen Welt – werden ließ!
Doch über Nacht geschah das Wunder! Der englische Perückenmacher hatte sich selbst übertroffen. Am nächsten Morgen stand Jennifer Jason Leigh mit einer blonden Perücke vor Bernd, die nicht einmal er als solche erkennen konnte. Diese Perücke war so gut, dass Bernd sie nach Abschluss der Dreharbeiten mit nach München nahm und aufbewahren ließ. Sie sollte in noch zwei weiteren von Bernds Filmen Verwendung finden: in Bernds professionellem Regiedebut »Das Mädchen Rosemarie« und in der Fernsehproduktion »Vera Brühne«. Wer »Letzte Ausfahrt Brooklyn«, »Rosemarie« und »Vera« vergleicht, wird feststellen, dass die Hauptdarstellerinnen in allen drei Filmen mehr als eine ähnliche, sondern in der Tat dieselbe Frisur haben. Das Einfliegen des englischen Perückenmachers hat sich definitiv gelohnt.
Wenn man sich heute »Letzte Ausfahrt Brooklyn« anschaut, ist es unvorstellbar, dass die Rolle der Tralala von einer anderen Schauspielerin als Jennifer Jason Leigh gespielt werden könnte. Genauso muss es sein. Wenn man das empfindet, weiß man, die Rolle ist perfekt besetzt. Jennifer Jason Leigh machte die Rolle zu ihrer Rolle, und ihre Verkörperung der kaputten, verletzlichen Kamikaze-Blondine sollte von da an ihr Image als Schauspielerin definieren.
Neben der Besetzung stellte sich eine weitere wichtige Frage: Wer sollte die Kamera übernehmen? Es würde hauptsächlich nachts gedreht werden. Wer konnte so etwas überhaupt ausleuchten? Wer konnte Licht in die schwarze Nacht Brooklyns bringen, ohne sie wie dunklen Tag aussehen zu lassen? Bernd erkundigte sich. Dabei tauchte immer wieder derselbe Name auf: Stefan
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