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BE (German Edition)

BE (German Edition)

Titel: BE (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Eichinger
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ich tue. Ich werde morgen Nacht noch drehen! Ich muss morgen Nacht die Schüsse unter der Brooklyn Bridge in den Kasten kriegen, danach gehe ich ins Krankenhaus!« Uli hielt durch. Er nahm Tabletten gegen die Schmerzen und beobachtete mit leichter Sorge, dass sich sein Oberarm langsam schwarz verfärbte. Am nächsten Tag sagte er zu Bernd: »›Nur damit eins klar ist: Es muss ein Auto da stehen, morgens um fünf, wenn wir abgedreht sind.‹ Um fünf Uhr MUSSTE ich fertig sein, denn danach war der Himmel nicht mehr schwarz, sondern wurde langsam blau. Wie gesagt, dies war vor der Zeit der digitalen Spezialeffekte. Was in dem Film schwarz ist, wurde auch schwarz gedreht.« Uli war entschlossen. Die Szene musste in den Kasten, koste es auch seinen Arm. »Es wurde immer schlimmer. Alle haben es dann gesehen, auch Bernd. Der meinte immer wieder zu mir: ›Mensch, Alter, lass das doch hier von jemand anders drehen.‹ Sag ich: ›Das wäre ja noch schöner!‹ Seit Monaten hatte ich auf diese Nacht gewartet und alles geplant. Da wollte ich doch nicht weggeschickt werden! Da hätte ich lieber meinen Arm gegeben. In dem Moment denkt man eben so. Da denkst du, der Film ist wichtiger als dein Arm.«
    Uli drehte die Szene. Um Punkt fünf stieg er in das wartende Auto und wurde ins Krankenhaus gefahren. Dort wurde der Gips aufgeschnitten. Darunter hatte sich ein schwarzer Hügel aus geschwollenem schwarzem Fleisch gebildet. Es war furchtbar. »Die haben dann die Nähte aufgeschnitten und dann ist da so ein schwarzer Brei herausgeplatzt«, so Uli. Bei der ersten Operation hatte der Arzt die Ader nicht richtig vernäht und die Wunde hatte innen weitergeblutet. Mit einiger Mühe retteten die Ärzte Ulis Arm. Aber Uli musste im Krankenhaus bleiben. An Dreharbeiten war nicht zu denken. Dennoch: Uli ging es gut. Also hatte er eine Idee: »Wir könnten ja eigentlich die Zeit nutzen und wenigstens mit den Schauspielern die Szenen durchproben.« Gesagt getan. Jennifer Jason Leigh, Stephen Lang, Burt Young und Stephen Baldwin erschienen an Ulis Krankenbett, und es wurde geprobt. »Es war wie in einem Probenraum, nur eben, dass ich lauter Schläuche in meinem Arm hatte. Das war natürlich ein irres Bild. Als Bernd das gesehen hat, hat er sofort ein Kamerateam gerufen und gemeint: ›Das bringen die in Deutschland in den Nachrichten!‹ Bernd hat das natürlich sofort verkauft, der Hundling!«
    Ein weiteres Problem, das die Produktion behinderte, war die Absicherung des Drehorts. Schließlich wurde tatsächlich in Red Hook Brooklyn, dem Schauplatz des Romans, gedreht. Es war 1988, also lange bevor Brooklyn gentrifiziert und in einen Stadtteil der neuen Medien-Boheme verwandelt wurde. Red Hook Brooklyn war gewaltverseuchtes Ghetto. Es war dunkel, verlassen und gefährlich. Zunächst wurde das Set von normalen Wachmännern geschützt, die man über ein Sicherheitsunternehmen angeheuert hatte. Diese Muskelpakete waren für die Anwohner nicht nur fremd, sie wirkten auch sehr provozierend, denn fast alle von ihnen waren arbeitslos. Die Chicanos, die dort mit ihren Bullterriern herumliefen, die Gangmitglieder und die Nutten, die morgens von der Arbeit nach Hause kamen, sie alle pöbelten herum. Immer wieder gab es Probleme. Da die meisten Szenen in »Letzte Ausfahrt Brooklyn« nachts im Dunkeln stattfinden, wurde fast immer nachts gedreht. Es war Sommer, die Nächte waren kurz. Uli musste schnell drehen. Wenn dann um fünf Uhr morgens das Licht kam, setzte sich die Crew noch auf Campingstühlen auf ein Bier zusammen und sah die Sonne über Brooklyn aufgehen. Schön eigentlich. Doch genau dann gab es immer Ärger. Bis Bernd sich schließlich an seine Erfahrungen im Internat mit Bullies erinnerte. Er ging zum größten Bully von Red Hook Brooklyn, der in einer Kneipe residierte, und schlug ihm einen Deal vor: Auf jeder Straße sollte einer der lokalen Bullies für Ordnung sorgen. Sie sollten ihre eigenen Leute anheuern und würden auch bezahlt werden. Der Platzhirsch ging auf den Deal ein. Das war die Lösung.
    Trotzdem gab es auch Schießereien während des Drehs, es gab Tote. Es war wieder eine dieser drückend schwülen Sommernächte. Für die Statisten war das angenehm, denn sie wurden zu Anfang des Drehs nass gespritzt und mussten die ganze Nacht mit nasser Kleidung herumsitzen, weil nicht genügend Geld für ein zweites Kostüm zur Verfügung stand. Plötzlich – es war gegen drei Uhr morgens – knallten Schüsse durch die Nacht. Ein paar

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