BE (German Edition)
Blöcke weiter hatten Anwohner eines Wohnblocks wegen der brütenden Hitze noch draußen auf der Straße gesessen. Ein Auto war vorbeigefahren, und zwei Männer hatten in die Menge geschossen. Es gab acht oder neun Schwerverletzte und mehrere Tote.
Das große Problem von »Letzte Ausfahrt Brooklyn« war von Anfang an das Geld. Bernd hatte den Film mit Columbia Pictures finanzieren wollen. Sir David Puttnam hatte dem Film auch grünes Licht gegeben. Doch als Puttnam dann plötzlich nicht mehr Chef von Columbia war, wollte das Studio nichts mehr von dem Projekt wissen. Das ist immer so. Jeder neue Studiochef will mit den Projekten seines Vorgängers nichts zu tun haben, sondern erst einmal reinen Tisch und Platz für seine eigenen Projekte schaffen. Diesem Großreinemachen war eben auch »Letzte Ausfahrt Brooklyn« zum Opfer gefallen. Aber Bernd wollte diesen Film unbedingt machen. Seine Freundschaft mit Uli hing davon ab. Das konnte er Uli nicht antun: erst große Töne spucken und dann sein Versprechen nicht einlösen. Auf die Schnelle ließ sich kein zweites Studio finden. Also entschied sich Bernd zu einem radikalen Schritt. Er meinte zu Uli: »Scheiß drauf, dann werd’ ich das Ding eben alleine stemmen!« Angesetzt war ein Budget von zehn Millionen Dollar. Nach seinen bisherigen Erfolgen würde er diese Summe schon aufbringen können. Als er befreundeten Filmemachern jedoch erzählte, dass er und Uli tatsächlich in Brooklyn drehen wollten, wurde er gewarnt: Das würde teuer werden. Sogar David Lynch stoppte Bernd in der Lobby des Chateau Marmont und meinte »Tu’s nicht! Dreh nicht in New York! Die Gewerkschaften dort werden dich mit dem Rücken an die Wand drücken!« Niemand drehte damals in New York. Sogar Martin Scorsese hatte »Mean Streets – Hexenkessel« in Los Angeles gedreht und nur einige Außenaufnahmen vor Ort in New York. New York war einfach zu teuer. Aber Bernd wollte nicht hören. Wenn schon »Letzte Ausfahrt Brooklyn«, dann aber auch in Brooklyn! Den Gewerkschaften würde er es schon zeigen. Leider war das Gegenteil der Fall. Die Gewerkschaften zwangen Bernd in die Knie. Am Ende kostete der Film nicht zehn Millionen, sondern fünfzehn Millionen Dollar. Damals eine monumentale Summe.
Vor diesem Hintergrund – Bernd stand mit fünfzehn Millionen Dollar in der Kreide – kam es zu folgender Begebenheit, von der Uli Edel erzählt:
Eines Nachts standen Bernd und ich am Set. Das Team war beim »Mittagessen«. Die Straßen waren komplett leer. Wir waren alleine. Über uns die riesigen Lichtertürme mit den Leuchtkugeln, die aus dem Himmel wuchsen, als wären wir bei der NASA auf Cape Canaveral. Neben uns der Kamerakran. Das ganze Viertel war umgebaut auf fünfziger Jahre. Das musst du dir mal vorstellen. Das war eine riesige Kreuzung mit einer ganzen Fabrikhalle mit Kneipen, Straßenzügen, mit der Armeekaserne, einer Straßenbahn. Das gehörte alles zu unserem dekorierten Set. Totaler Wahnsinn. Und Bernd und ich alleine mittendrin. Ein wirklich surrealer Moment, in dem man sich fragt: Wie bin ich eigentlich hierhergekommen? Wie kann es sein, dass das mein Leben ist? Bernd und ich reden noch so, wie wir den zweiten Teil der Nacht hinkriegen. Dann macht er plötzlich eine kurze Pause. Schaut sich um, schaut die Lichtertürme empor zu den Leuchtkugeln und sagt dann so ganz leise: »Meinst du Uli, dieses Mal hab ich mich übernommen?« Er hat das so ganz sachlich, fast amüsiert gesagt. Ich werde das nie vergessen. Das war einer der wenigen Momente, in denen er sich mit seinen Zweifeln gezeigt hat. Dafür habe ich ihn geliebt, dass er einfach so dastehen und das sagen konnte. Ich habe ihm dann geantwortet: »Hoffentlich nicht.«
Zum Schluss der Dreharbeiten wurde noch eine Woche in den Bavaria Studios in München gedreht. Für die Wrap-Party wollte Bernd sich natürlich nicht lumpen lassen. Als Abschiedsgeschenk erhielten die männlichen Schauspieler – junge Typen wie Steven Baldwin, Peter Dobson und Sam Rockwell – eine Freirunde in einem Münchner Puff sowie eine Flasche Champagner. Doch was tun mit Alexis Arquette? Der war ja auch im echten Leben so feminin wie im Film und trug Frauenkleider. Mit einem Puffbesuch konnte man dem doch sicher keine Freude machen. Bernd ließ sich also für Alexis Arquette etwas anderes einfallen und schickte den Rest der Jungs in ein Etablissement der horizontalen Art. Als die Gang jedoch im Puff auftauchte, wurden sie erwartet: Alexis Arquette im
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