BE (German Edition)
hatte ein beeindruckendes Büro an einer der besten Adressen der Stadt, dem Luckman Plaza Building am West Sunset Boulevard, und von seinem Schreibtisch aus konnte er den pazifischen Ozean sehen. Er wohnte in einer Villa in Beverly Hills. Was sollte schon schiefgehen?
Um es kurz zu machen, so ziemlich alles. Bernd stürzte sich in das Geschäftsleben der Stadt, las jeden Tag Variety , ging auf Poolpartys, um Kontakte zu knüpfen, schaute sich fast jeden Tag mehrere Filme an … und war dabei kreuzunglücklich. Die Filme, die er sich anschaute, ließen ihn entweder verzweifeln, dass in Hollywood so ein Schrott produziert werden und dann auch noch erfolgreich sein konnte, oder sie ließen ihn verzweifeln, weil sie so gut waren, dass er Versagensängste bekam. Die Variety machte ihn nervös, weil er ständig das Gefühl hatte, alle anderen wären erfolgreicher als er und würden ihm ständig die Deals wegschnappen. Die Partys machten ihn noch viel nervöser, weil er ständig das Gefühl hatte, mit einem falschen Lächeln herumlaufen und vor Selbstbewusstsein nur so strotzen zu müssen. Am Ende eines jeden Tages, so erzählte er, sei er nach Hause gekommen, und seine Gesichtsmuskeln hätten ihm wehgetan von all dem aufgesetzten Lächeln. Um emotional überhaupt wieder zu sich kommen zu können, habe er Mozart oder Maria Callas aufgelegt. Callas’ von Schmerz und Einsamkeit bebende Stimme habe das beschrieben, was er in sich gefühlt habe, aber im Alltag von Hollywood nicht leben konnte. Callas brachte ihn zum Weinen und damit wieder zum Leben.
Um seiner Tochter Nina später einmal verdeutlichen zu können, warum ihr Vater während ihrer Kindheit über viele Monate hinweg nicht anwesend war und was in ihm damals vor sich ging, begann Bernd Tagebuch zu führen. Er gab es mir zu lesen – keine einfache Lektüre. Das Tagebuch beginnt am 19. Juni 1990 mit seiner Ankunft in Los Angeles. Das Haus in der Cherokee Lane ist eingerichtet und wird mit einem Wodkabesäufnis eingeweiht, das damit endet, dass Bernd Messer gegen die Küchentür wirft – die aber nicht stecken bleiben. Schon am nächsten Tag beginnt das »Anti-Wampen-Programm«: Bernd hatte seinen Fahrer Herbert mit nach L. A. gebracht, der auch gleichzeitig als sein Fitnesstrainer fungierte und mit ihm jeden Tag anderthalb Stunden Sport machte. Bernds Kommentar im Tagebuch: »Grauslig. Aber es muss sein – ich bin eben zu eitel.« Paul Verhoevens »Total Recall – Die totale Erinnerung« bereitete ihm schon am 23. Juni die erste Mini-Krise: »Ich bin total fertig mit den Nerven. Was für ein Scheißfilm: brutal, zynisch, ein Feuerwerk von überflüssigen Knalleffekten. Wenn das die Filme sind, die ich hier machen soll, bin ich echt fehlbesetzt. Verzweiflung!« Die Mini-Krise wuchs …
24. Juni, Sonntag
Erste Krise. Ich fühle mich alleine, verlassen, schwach und vollständig unvorbereitet respektive unfähig, hier was zustande zu bringen. Was denn überhaupt? Ich will nicht zu den Maulaufreißern gehören, die sich vorkommen wie sonst wer und niemand sind. Oder doch wer sind, aber nichts bedeuten. Der alte Zwiespalt Kunst (Talent) / Management (Geld / Haus / Macht etc.). Ich fühle mich nirgends zugehörig: Die Manager verachte ich – ihr Zynismus und Getue geht mir auf den Sack. Die Künstler finde ich selbstmitleidig, ohne Selbstironie, egomanisch und langweilig (als Person).
Außerdem sehe ich »M« von Fritz Lang, den ich als Remake machen will – hoffnungslos, was soll das?! Dann »Children of a Lesser God« – wirklich guter Film. Dann: »Mystic Pizza« – naja, immerhin (muss mal nachschauen, was der eingespielt hat).
6. Juli 1990
Ich habe mich noch nie an einem Ort der Welt zu Hause gefühlt. Natürlich hier auch nicht. Hier am allerwenigsten. Außerdem beschleicht mich mit zunehmendem Alter die Sorge und sogar Angst, versagen zu können. Hier, wo alles so schnell und gleichzeitig so langsam geht, ist diese Angst im Moment ziemlich groß. Ich komme mir vor wie auf einer schwankenden, schmalen Hängebrücke, unter mir der Abgrund. So schlage ich halt jeden Tag meinen Dickkopf gegen die Mauer Hollywood. Mal sehen, wer härter ist.
Andererseits reißt man sich hier wahnsinnig zusammen, schon deswegen, weil sich gehen zu lassen automatisch die Verzweiflung aufkommen lässt, und das ist natürlich ungut.
Ich denke sehr viel über die letzten zehn Jahre nach und habe oft das Gefühl, alles falsch gemacht zu haben. Ich hätte
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