BE (German Edition)
nicht aufgegeben!
Inwiefern ähnelten sich eure Vorstellungen vom Filmemachen?
BA: Uns beide verbindet die Leidenschaft, Filme zu machen, die ein Publikum verführen. Filme von Qualität, die dem Publikum Geheimnisse ins Ohr flüstern.
In Deutschland hat man ja oft ein Problem mit Verführung … gerade in Bezug auf ein Massenmedium wie das Kino. Da schwingt immer der Negativbegriff »Manipulation« mit.
BA: Aber im Kino dreht sich doch alles um Manipulation! Letztendlich zahlt der Zuschauer für seine Eintrittskarte, um manipuliert zu werden. Sie wollen sich verführen lassen, sie wollen etwas mit ihren Augen entdecken. Bernd verstand das.
In Deutschland hat Bernd dafür viel Schelte bekommen …
BA: Als Filmemacher manipulierst du, aber du hast auch Verantwortung. Also, ich will, dass das Publikum spürt, dass es manipuliert wird. Es soll es wollen, manipuliert zu werden. Es ist immer eine Frage, auf welchem Level man manipuliert und dass man die Intelligenz des Publikums respektiert. Letztendlich geht es darum, eine großartige Geschichte zu erzählen und etwas über die menschliche Existenz auszusagen – es geht darum, Emotionen im Publikum auszulösen und den Zuschauer dazu zu bringen, über sein Leben nachzudenken. Über Fragen zu reflektieren, wie z. B. ›Habe ich mich meinen Kindern gegenüber richtig verhalten?‹ Wenn ein Film als ein Trigger für solche Lebensfragen dienen kann, dann ist Manipulation zulässig. Bernd und ich waren uns da einig, und gemeinsam haben wir das versucht.
Du sagst: »Dem Publikum Geheimnisse ins Ohr flüstern« … ein Flüstern ist ja auch so leise, dass es jeder anders verstehen kann …
BA: Einerseits ist Kino eine sehr individuelle Erfahrung. Was ich andererseits so an Kino liebe, ist die Tatsache, dass es absolut universal sein kann. Die von meinen Filmen, die funktioniert haben, haben in Japan ebenso wie in Südamerika die gleichen Emotionen im Publikum ausgelöst. Das Menschliche ebenso wie das Kino – the cinematic condition – hat etwas Universales. Jeder Mensch kann es erfahren, darüber reflektieren und sich damit identifizieren. Das ist das Schöne am Film. Bernd hat das verstanden.
Wie würdest du Bernds und deine filmische Erzählweise beschreiben?
BA: Wenn du amerikanische Bücher liest oder amerikanische Filme siehst, dann sind die sehr handlungsorientiert und selten reflektierend. Europäische Filme sind zumeist genau das Gegenteil. Die Reflexion, nicht die Handlung steht im Vordergrund. Dadurch können europäische Filme sehr langweilig sein, denn man verliert die erzählerische Kraft. Bernd und ich waren beide der Meinung, dass man beide Elemente kombinieren muss – das Narrative und das Reflektierende.
Bernd gilt ja oft als einsamer Wolf. Wie war es, mit ihm befreundet zu sein?
BA: Es ist seltsam. Als ich von seinem Tod hörte, hatte ich genau das gleiche Gefühl der Leere wie beim Tod von Ingmar Bergman. Bernie war genau wie Ingmar Bergman einer von den Leuten, die ich anrufen konnte, wenn ich eine echte Krise hatte. Mit ihm konnte ich darüber ganz ruhig reden, und er war ein guter Zuhörer. Diese Leere kommt aber auch daher, dass ich ähnlich wie mit Ingmar Bergman in Bernd einen Freund hatte, der die gleiche Auffassung von Kino und Filmemachen hatte wie ich. Beide, Ingmar und Bernd, hatten eine große Leidenschaft fürs Kino, einen Respekt vor Schauspielern … Kino, Geschichten erzählen, Menschen verführen hat – wie auch bei mir – einen großen Teil seines Lebens ausgemacht. Und jetzt … jetzt weiß ich nicht mehr, wen ich anrufen soll.
Anfang Januar 1993 war Drehbeginn. Gedreht wurde im portugiesischen Nirgendwo. Bernd meinte, er hätte in seinem Leben nie wieder so viele hässliche Menschen in so hoher Konzentration an einem Ort gesehen wie damals in Portugal. Die Einheimischen waren gedrungen und um die anderthalb Meter groß. Zwischen ihnen sahen all die Skandinavier und Deutschen, die nun den Ort überfluteten, wie Außerirdische aus. Zusammen mit den Hollywoodsuperstars war dies eine wilde Mischung. Auch das Essen war laut Bernd ungenießbar. Nicht einmal den gegrillten Fisch hätte man essen können. Trotzdem lief zunächst alles prächtig. Der erste Drehtag brachte eine kleine Verstimmung, weil Bernd sich auf einen Stuhl am Set gesetzt hatte und eine Produktionsassistentin zu ihm sagte, er solle doch bitte verschwinden. Bernds Reaktion: »Ich zahle für diesen Film und ich bleibe hier sitzen.« Es war wieder wie im Internat:
Weitere Kostenlose Bücher