Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
BE (German Edition)

BE (German Edition)

Titel: BE (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Eichinger
Vom Netzwerk:
»Nazi«.
    Bernd brauchte ein Drehbuch. Er hatte selbst Ideen, wie dies aussehen könnte und schrieb ein ausführliches Exposé von etwa siebzig Seiten. Doch wer sollte das Drehbuch schreiben? Die offensichtliche Antwort auf diese Frage war Andrew Birkin, Bernds alter Freund und Weggefährte. Doch es war etwas Schreckliches passiert: Andrews Sohn, der Musiker und Dichter Anno Birkin, war am 8. November 2001 bei einem Autounfall ums Leben gekommen, einen Monat vor seinem 21. Geburtstag. Dieses furchtbare Unglück brachte Andrew fast um. Ein ganzes Jahr lang schrieb Andrew die mehr als 1000 Gedichte ab, die Anno in seinem kurzen Leben verfasst hatte. Eines Tages rief er Bernd an mit der Idee, einen Dokumentarfilm über Anno zu drehen.
     
    Andrew Birkin erinnert sich:
     
    Bernds Reaktion war wundervoll. Er sagte sofort: »Das ist eine großartige Idee, und es wäre mir eine Ehre, diesen Film für dich zu produzieren.« Das war unglaublich, denn vorher hatten mir alle gesagt, ich sei verrückt und wollten mich davon abhalten. Ich glaube, ich musste einfach nur von jemandem hören, dass der Film eine gute Idee war. Dann konnte ich loslassen. Eine Woche später rief mich Bernd wieder an, ob ich nach Berlin kommen wolle. Seine damalige Freundin Corinna Harfouch trat dort in einem Theaterstück auf. Also musste ich mir zwei Stunden lang Goethe auf Deutsch anschauen, obwohl ich kein Wort verstand. Es war auch schwierig für mich, weil Corinna zwei Söhne etwa in Annos Alter hatte. Aber dann haben Bernd und ich über »Das Parfum« gesprochen, und er bat mich, das Drehbuch zu schreiben. Das war im Juni 2002. Bernd schrieb dann das Drehbuch zu »Der Untergang«, und ich schrieb gleichzeitig »Das Parfum«.
     
    Bernd holte Andrew auf seinen Pferdehof, wo er auf seinen an der Trauer verzweifelnden Freund aufpassen konnte. Als Andrew 2006 erneut heiratete, war Bernd sein Trauzeuge. In seiner Hochzeitsrede sagte Andrew, dass Bernd ihm das Leben gerettet habe. Während seiner Arbeit am Drehbuch vertiefte sich Andrew in die Welt der Düfte. Dies ging so weit, dass er selbst begann, mit Düften zu experimentieren und seine eigenen Düfte kreierte. Im Zuge dieser Arbeit baute er sich ein eigenes kleines Duftlabor in seinem Haus in Wales. Als ihn seine Schwester Jane Birkin dort einmal besuchte, entstand das Parfum »L’Air de Rien« für Miller Harris.
     
    Andrew Birkin erzählte mir von der Entstehung des Drehbuchs:
     
    Im Gegensatz zu Bernd habe ich »Das Parfum« immer als eine Art schwarze Komödie gesehen. Denn wenn man mal genau drüber nachdenkt: Was ist das eigentlich für eine Geschichte?! Da ermordet ein Typ Jungfrauen, um ein Parfum vom Geruch ihrer Muschis zu machen. Wie bitte?! Bernd meinte aber – und darüber haben wir viel diskutiert –, dass er sich nie wieder in Deutschland blicken lassen könne, wenn er diesen Film in den Sand setzte bzw. wenn er dem Geist des Romans nicht treu blieb. Meine Reaktion war: Also, das bedeutet, dass dieser Film in den USA nicht gesehen werden wird. Die Amerikaner werden nie einen Film über einen pädophilen Mörder machen, der besessen ist von Gerüchen. Du musst dich entscheiden: Entweder du machst einen Film für die Leute, die den Roman lieben, oder du machst einen Film für die Amerikaner. Bernd wusste das auch, aber er hat es ignoriert. Er wollte eben beides erreichen. Er dachte, er könnte es vielleicht schaffen.
     
    Nachdem Andrew Birkins Drehbuch fertig war, ging Bernd nochmals seine Liste mit möglichen Regisseuren durch. Natürlich stand auch Jean-Jacques Annaud auf dieser Liste, denn warum sollten sie es nicht noch einmal zu dritt versuchen: Jean-Jacques Annaud, Andrew Birkin und Bernd. Vielleicht würde man den Erfolg von »Der Name der Rose« noch einmal wiederholen können. Außerdem spielte der Stoff in Frankreich, und »JJ« war Franzose. Aber Annaud mochte das Ende des Romans nicht. Er wollte nicht, dass Grenouille sich umbringt. Es war eine grundsätzliche Differenz, denn Bernd war nicht bereit, von der Handlung des Romans abzuweichen.
    Die Liste mit möglichen Regisseuren war auf dem Computer geschrieben worden und lag ausgedruckt auf Bernds Schreibtisch. Bernd hatte Namen durchgestrichen und Anmerkungen gemacht. Ganz unten auf der Liste stand handschriftlich von Bernd hinzugefügt der Name eines deutschen Regisseurs: Tom Tykwer.
     
    Im Sommer 2011 sprach ich mit Tom Tykwer:
     
    Als Bernd dich ansprach und mit dir über »Das Parfum« reden wollte, kanntest

Weitere Kostenlose Bücher