BE (German Edition)
Produzenten möglich war. Am meisten faszinierte mich, wie frei und gerade er redete. Dass er nicht zynisch war. Jenseits von jeglichen Klischees. Als ich nach dem Telefonat hinunter in die Küche ging, sah mich mein Mitbewohner perplex an und fragte: »Was ist denn mit dir passiert!?« Der erste Satz meines Artikels über Bernd war ein Zitat von Aristoteles: »Zynismus ist der Protest der Schwachen.«
Später im Sommer kam dann ein Anruf von der Constantin Film, ob ich denn nicht für Variety zum Set von »Das Parfum« nach Barcelona kommen wolle. So wirklich interessiert war ich nicht, denn Variety brachte normalerweise keine Berichte von Filmsets. Außerdem würde ich zwei Tage Arbeit verlieren. Aber das Telefonat war mir in Erinnerung geblieben. Also fuhr ich. Es war eine seltsame Veranstaltung. Ich war es gewohnt, alleine oder höchstens mit ein oder zwei anderen Journalisten zu einem Set eingeladen zu werden. Plötzlich fand ich mich in einer etwa vierzig Mann großen Truppe von deutschen Journalisten wieder. Obwohl ich internationale Presse war, hatte man mich, weil ich ja Deutsch sprach, zu den Deutschen getan. Nun hatte ich zu diesem Zeitpunkt mein gesamtes Erwachsenenleben im angelsächsischen Ausland verbracht und fand deutsche Umgangsformen sehr fremd. Mein Deutsch war auch nicht besonders gut. Alle anderen schienen einander zu kennen und beäugten mich. Wer war denn diese merkwürdige Frau aus London mit ihren blondierten Haaren? Es war ein Nachtdreh, und die Veranstaltung begann mit einem Abendessen und einer langen Tafel in einem Restaurant. Was sollte das alles nur, fragte ich mich? Ich bin doch nicht hier, um mit anderen Journalisten zu reden. Irgendwann kam dann ein großer Mann durch die Tür am anderen Ende des Raums. Er trug Bluejeans, ein blaues doppelreihiges Jacket und ein weißes Hemd – Bernd Eichinger. Anstatt die große Runde zu machen, setzte er sich kurz an das Kopfende des Tisches, etwa zwanzig Meter von mir entfernt, redete mit den Leuten, die dort saßen und ging dann wieder. Na super, dachte ich, das ist ja ein wahnsinnig effektiver Setbesuch. Später ging es allerdings tatsächlich ans Set. Die Szene mit Lauras Geburtstagsparty wurde gedreht. Das war zwar interessant, aber ich war eben eine arrogante Variety -Journalistin und fand es doof, dass ich da mit all den anderen Journalisten herumstand und keine exklusive Geschichte bekam. Und warum hatten die deutschen Journalisten nichts anderes zu tun, als sich die Mäuler darüber zu zerreißen, dass »der Eichinger« neben »dem Tykwer« am Monitor saß und die Dreharbeiten beobachtete? Das fand ich nicht besonders außergewöhnlich. Aber die deutschen Journalisten sahen darin einen ganz klaren Beweis für Bernd Eichingers »Kontrollwahn« und dass der da ja praktisch Co-Regie führte. Was sollte denn der Quatsch? Auf welchen Filmsets waren die denn bisher gewesen? Das war das erste Mal, dass mir der »Mythos Bernd Eichinger« begegnete. Die Geschichten und Projektionen, die sich an seine Person klammerten, waren mir alle unbekannt. Ich war ohne Boulevard-Medien aufgewachsen und direkt nach dem Abitur ins Ausland gegangen. Bis auf seine Filme und das Telefoninterview, das ich mit Bernd geführt hatte, war er für mich ein weißes Blatt Papier. Ich hatte noch keine Meinung zu Bernd Eichinger. Nach den Gruppeninterviews – wieder war ich verärgert, weil ich kein Einzelinterview bekam –, stand ich noch eine Weile herum. Was sollte ich tun? Ich hatte definitiv nicht genügend Material für einen Artikel. Plötzlich stand Bernd neben mir. Er ging an einem Stock mit silbernem Griff, denn er hatte sich den großen Zeh gebrochen. Ich schaute mir seine Hände an. Die waren schön, zitterten aber leicht. »Ja, guten Abend Herr Eichinger, ich bin Katja Hofmann von Variety … wir haben ja schon mal am Telefon gesprochen …« Bernd schaute mich an, als hätte ich ihn gerade gefragt, ob er mir zwei Gramm Koks verkaufen würde – sehr abweisend, fast schon empört. Es kam keine Unterhaltung zustande. Ich dachte: Was ist denn das für ein blöder Typ? Da hab’ ich mich wohl ganz massiv getäuscht. Ich drehte mich weg und ging. Dieser Setbesuch war aus meiner Sicht reine Zeitverschwendung gewesen.
Später erklärte mir Bernd, was passiert war. Bei dem Abendessen, als wir an gegenüberliegenden Tischenden gesessen hatten, hatte er mich sofort bemerkt. Wer denn die Blonde da drüben wäre, fragte er seine Pressefrau. Die wusste nicht, wer ich
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