BE (German Edition)
nach Berlin absetzte, um Regie bei einer Oper zu führen, aber das war Bernd dann auch egal. »Das Parfum« lief, und Tom Tykwer und Christine Rothe würden das Ding ein paar Wochen lang auch alleine schaukeln.
Seine Regiearbeit an der Berliner Staatsoper war für Bernd, der sich sehr gründlich auf dieses Abenteuer in einer anderen Welt vorbereitet hatte, eine traumatische Erfahrung. Jahre später, im Sommer 2007 bei den Dreharbeiten zu »Der Baader Meinhof Komplex«, wohnten wir eine Zeit lang im Hotel de Rome, das sich direkt hinter der Berliner Staatsoper befindet. Bernd schaute immer weg, wenn wir an der Staatsoper vorbeigingen. Er ertrug den Anblick nicht.
Das Trauma begann schon beim Bühnenbild, für das sich Bernd alle möglichen Ideen hatte einfallen lassen. Aber fast alle dieser Ideen wurden mit dem Argument »geht gar nich’« abgewiesen. Einerseits war das Opernhaus, das derzeit rundumerneuert wird, in einem so desolaten Zustand, dass die einfachsten Bühnentricks unmöglich waren. Andererseits trafen hier zwei Mentalitäten aufeinander: Der »Wessi« aus München kam mit seiner bayerischen Art bei den »Ossis« nicht besonders gut an. Auch das Medium Oper an sich widersprach Bernds Mentalität. Bernd war es vom Film gewohnt, alles so lange zu wiederholen und an etwas herumzufeilen, bis schließlich der perfekte Moment auf Zelluloid eingefangen war. Nun wurde ihm plötzlich mitgeteilt, er habe nur wenige Stunden für die Ausleuchtung der gesamten Oper und dass die eigentlichen Sänger – darunter eben große Weltstars wie René Pape – erst in letzter Minute eintreffen würden. Bis dahin musste Bernd mit stand-ins proben. Wie sollte er unter diesen Umständen die von ihm angestrebte Perfektion auch nur annähernd erreichen? Zudem entwickelte Bernd nur langsam ein Gefühl dafür, dass das Singen einer Wagner-Oper anstrengend ist, und schon kleine Bewegungen für die Sänger sehr schwierig sind. Beim Singen rauscht und wummert es so gewaltig im Kopf, dass man sich oft nur mit Mühe an Schrittabfolgen erinnern kann. Es waren keine günstigen Voraussetzungen. Für einen Perfektionisten wie Bernd, der nichts mehr hasste als Ohnmacht, war es der totale Kontrollverlust.
Trotzdem gelang es ihm, in seiner Inszenierung von »Parsifal« als Zeitreise einige seiner Visionen zu verwirklichen. Es gibt immer wieder magische Momente in dieser Inszenierung, die sehr viel über Bernd aussagen. Im ersten Aufzug gibt es eine Szene, in der der verwundete König Amfortas den Gral enthüllt und den Gralsrittern zeigt. Bernd inszenierte diese Szene so, dass Amfortas sich den heiligen Gral aus dem Brustkorb reißt. Unter großen Schmerzen gibt er sein Herzblut an die Gralsritter weiter, damit diese sich daran stärken können. Für Bernd ist der heilige Gral kein Gefäß mit dem Blut Christi, nichts Äußerliches also, sondern etwas, was der junge, aber verwundete König Amfortas in sich trägt. Es ist für Amfortas fast unerträglich, immer wieder die Wunde zu öffnen und sein Herzblut zu geben. Es ist klar: Lange geht das nicht so weiter. Es bringt ihn um. Auch die Idee, dass es eine Gralswelt gibt, die parallel zu der grauen Realität existiert, ist Bernd in Reinformat. War er doch immer überzeugt, dass es neben der Realität eine Welt der Geister, Kobolde und Fabelwesen gibt, die wie die Moiren in der griechischen Mythologie Einfluss auf unser Schicksal nehmen können. Auch könnte man die Idee einer separaten Gralswelt mit der Phantasiewelt des Kinos vergleichen, die für Bernd genauso real war wie die Welt, die wir anfassen können. Aber noch eine Szene spricht tief aus Bernds Seele: Ganz zum Schluss, als die Gralsritter auf der Bühne stehen und in einer traditionellen Inszenierung der Heilige Gral auf die Bühne getragen wird, passiert in Bernds Inszenierung etwas völlig anderes: Die Gralsritter drehen sich zum Publikum. Die Bedeutung ist klar: Der heilige Gral ist in uns. Wir tragen in uns, was wir suchen. Das, von dem wir denken, dass es uns glücklich und selig machen wird, ist kein Gegenstand, nichts Dingliches, das von außen an uns herangetragen wird. Nein, es muss uns nicht gegeben werden, sondern es ist immer schon in uns. Die Erlösung und Regeneration der Menschheit, die das Thema von »Parsifal« sind, sie geschehen in Bernds Inszenierung durch den Menschen selbst. Gott in uns. Es war nicht das einzige Mal, dass ich dachte, in Bernd schlummere ein heimlicher Protestant. Ganz abgesehen von der
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