BE (German Edition)
metaphysischen Ebene ist die Aussage der Szene im Hinblick auf Bernd, den Filmemacher, auch klar: Für Bernd Eichinger war der Heilige Gral das Publikum.
Bei der Premiere wurde Bernd entsetzlich ausgepfiffen. Die Wagnerianer steigerten sich in ihre Buh-Rufe immer mehr rein, sodass sie ihrem Ruf als die Hooligans des Kultursalons alle Ehre machten. Was nun an dieser Inszenierung so extrem schlecht gewesen sein soll, dass man als Zuschauer so die Contenance verliert, verstehe ich nicht. Aber es ging ja auch nicht um die Inszenierung, sondern vielmehr darum, dass da die Galionsfigur des populären »U«-Bereichs so einfach mal in die »E«-Kultur vorgedrungen war. Der Mann, der der Welt »Ballermann 6« gebracht hatte, hatte sich nun an »ihrem« Parsifal vergangen. In der wagnerianischen Kulturhygiene ein Unding. Bernd hat tapfer auf der Bühne gestanden und es ausgehalten. Mir zerriss es das Herz, als ich Aufnahmen davon sah. Zum Glück stellte sich Daniel Barenboim hinter Bernd und stärkte ihm den Rücken. Dass die Erlösung durch das Publikum erfolgt, zeigte sich später, als Bernds Inszenierung live in den Palast der Republik übertragen wurde und man sie dort kostenlos sehen konnte. Das Auditorium war bis auf den letzten Platz besetzt und der Applaus tosend. Für die Sänger, die nach der Vorstellung dort vor das Publikum traten, ein phantastisches Gefühl. Aber natürlich vor allem auch für Bernd.
Aber am Ende ist das, was bleibt – nicht der Applaus, sondern das Menschliche. Im Falle von »Parsifal« ist der Mensch, der für Bernd geblieben ist, vor allem Christoph Schlingensief. Auch er hatte mit seiner »Parsifal«-Inszenierung in Bayreuth ein Trauma erlitten. Bernd war bei der Premiere dabei gewesen und konnte es nicht fassen, wie Schlingensief damals behandelt wurde. In einem Brief an Bernd vom 14. Januar 2010, in dem es eigentlich um Schlingensiefs Operndorf in Burkina Faso ging, zeichnete er die Parallelen zwischen sich und Bernd auf. Er beklagte, wie sehr er es hasste, dass Bernd und er in die ewige »enfant terrible«-Ecke abgeschoben würden. Er litt offenbar sehr unter derartigen Reaktionen in Deutschland. Dieser Brief brachte Bernd dazu, über sich selbst nachzudenken. Er kam zu dem Schluss, dass er seinen Frieden mit Deutschland geschlossen hatte, dass er nicht mehr litt. Deswegen tat ihm das Leid seines Freundes umso mehr weh. Der Tag, an dem Christoph Schlingensief starb, war furchtbar.
Liebe auf das erste Wort
MA nche Leute verlieben sich auf den ersten Blick. Ich habe mich in Bernd verliebt, als ich ihn zum ersten Mal sprechen hörte. Es war kurz vor Drehbeginn von »Das Parfum«. Ich arbeitete als Journalistin für Variety und dachte, dass es doch mal ganz interessant sein könnte, für unsere Deutschland-Spezialausgabe Bernd Eichinger zu interviewen. Seltsamerweise war bei mir in der Redaktion sonst niemand darauf gekommen. Nach der negativen Berichterstattung zu »Das Parfum« in den letzten Jahren dachten alle, dass Bernd Eichinger sowieso mit niemandem sprechen würde. Außerdem gehörte er einfach nicht zu den Leuten, die in der Fachpresse viele Interviews gaben. Bei Variety wird man ständig von Corporate Publicists angerufen, die einen dazu bringen wollen, einen ihrer Klienten ins Blatt zu holen. Bernd gehörte definitiv nicht dazu. Er schien nicht interessiert. »Aber warum nicht einfach mal einen Versuch wagen?«, dachte ich mir. Über die Constantin-Pressestelle zu gehen, hatte ich weder die Geduld noch die Lust und rief kurzerhand direkt bei Bernds Büro an. Es war wieder einmal das magische Sesam-öffne-dich-Wort Variety , denn einen Tag später hatte ich einen Telefontermin mit Bernd, den ich von zu Hause aus, also meiner Londoner Kommune namens »Heartbreak Hotel«, wahrnahm. Wie soll ich dieses Gefühl beschreiben, als ich auf einmal diese Stimme hörte »Ja, hier ist der Bernd Eichinger …« und dann dieses Lachen? Das war, als hätte Bernd bei mir auf einen Schalter gedrückt. Etwas irritiert merkte ich, dass mein Herz schneller schlug. Was war denn mit mir los?
Ich hatte damals schon viele Filmproduzenten interviewt, darunter einige sehr große Kaliber. Solche Typen waren immer eine Mischung aus Geschäftsmann, Verkäufer und Verführer – zumeist latent gestresst oder müde, nervös mir gegenüber, und dennoch konnten sie nicht verbergen, dass ihr größtes High ihre eigene Macht war. Bernd war anders. Es war ein inhaltliches Gespräch, was sonst mit kaum einem
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