BE (German Edition)
Deutschland verbringen würde. Er schaute mich besorgt an. Aber was sollte er sagen? Ich war alt genug, meine eigenen Entscheidungen zu treffen. Viele meiner Freunde haben sich damals Sorgen um mich gemacht. Dass ich da einen Kopfsprung in ein unbekanntes Gewässer wagte mit einem Mann, dessen Ruf als Schwerenöter sie besser kannten als ich, war für sie höchst bedenklich. Deswegen besprach ich meine Entscheidungen auch mit sehr wenigen Menschen. Das, was sich zwischen Bernd und mir abspielte, ging nur Bernd und mich etwas an. Wir befanden uns in einer Art Schwebezustand, auf unserer Wolke hatte sonst niemand etwas zu melden. Dieser Schwebezustand hielt über Jahre bis zu Bernds Tod an.
An meinem Geburtstag, dem 20. April 2006, fragte Bernd mich leise in mein Ohr, ob ich mir vorstellen könnte ihn zu heiraten. Es war schon spät, und wir saßen allein als letzte Gäste im Romagna Antica. Draußen war es still und dunkel. Ich fühlte Bernds Wange an meiner. Mein Herz stand für einen Moment still. Das war das Verrückteste, was ich je gehört hatte, und dennoch ergab es absolut einen Sinn. Dann antwortete ich ihm: »Ja, das kann ich mir vorstellen.« Gut, meinte Bernd. Dann solle ich mir das noch drei Monate überlegen. Seine Entscheidung stünde fest, und es sei nur noch eine Frage, ob ich das wolle. Als ich am nächsten Morgen aufwachte, fiel mir diese Unterhaltung wieder siedend heiß ein. Hatte sie wirklich stattgefunden? Hatte ich da vielleicht etwas missverstanden? Hatte Bernd im Suff geredet? Etwas nervös fragte ich Bernd, ob er sich an unsere Unterhaltung vom Vorabend erinnern könne und ob er das wirklich so gemeint habe. Ja, ja, nickte Bernd ganz selbstverständlich. Wir hätten jetzt einen Deal. In drei Monaten würden wir noch einmal reden …
In diesen drei Monaten erlebte ich einiges: Mein erster roter Teppich mit Bernd beim Deutschen Filmpreis 2006. Ziemlich nervenaufreibend war das. Es ist jetzt wirklich keine Astrophysik, über den roten Teppich zu laufen, aber es ist sehr laut und die Blitzlichter verwirrend. Ich hatte mir vorher noch von meiner am ganzen Körper tätowierten Londoner Friseuse die Haare blondieren lassen, aber das war auch so ziemlich alles, was ich mir an Vorbereitung überlegt hatte. Bernd meinte, mein Londoner Punk-Goth-Look sei doch sehr gut – bloß halt in Weiß und nicht in Schwarz –, und ich sollte jetzt nur nicht versuchen, mich den Deutschen anzupassen. Das Kleid, das ich trug, hatte Bernd im Vorbeifahren in einem Schaufenster am Sunset Boulevard gesehen und einfach gekauft, und zwar in demselben Laden, in dem ich später auch mein Hochzeitskleid kaufen sollte. Das wollen die Journalisten von den Frauenzeitschriften natürlich nicht hören, sondern es soll immer ein Designer sein, den man da trägt. Und so stotterte ich bei meinen Antworten ziemlich herum und fand es ziemlich unangenehm, plötzlich auf der anderen Seite des Mikrofons zu stehen. Ich bin immer noch der Meinung, dass es wesentlich angenehmer ist, jemanden zu interviewen als interviewt zu werden. Aber am Ende ist so ein Gang über den roten Teppich schnell vorbei.
Dass mein eigener Job unter meinem Leben mit Bernd zu leiden begann, war schon bald klar. Bernds Wohnung war klein, und es war immer sehr still. Wenn er zu Hause war, konnte ich nicht Dauertelefonate führen, die beim Journalismus eben manchmal notwendig sind. Es wurde zunehmend klar, dass wenn ich Bernd tatsächlich heiraten sollte, ich meine finanzielle Eigenständigkeit verlieren würde. Außerdem merkte ich, wie ich zunehmend meine Freunde in London verlor. Es gab nur noch Bernd. Nun kam das meinem Hang zum Hyper-Fokus, den ich mit Bernd gemeinsam hatte, sehr entgegen. Genau wie Bernd habe auch ich z. B. kein Problem damit, jeden Tag das Gleiche zu essen, wenn ich einmal etwas gefunden habe, das mir schmeckt. Die Intensität, die Bernd ausmachte und die er auch von mir brauchte, war ja genau das, was ich an unserer Beziehung so schätzte! Endlich mal einer, der mich aushielt. Trotzdem musste ich noch einmal für eine Woche nach London fliegen, um mich zu entscheiden, dort alles aufzugeben. Um genau Mitternacht vom 19. auf den 20. Juli kniete Bernd sich vor mir auf dem Wohnzimmerteppich (ein abgewetzter IKEA-Klassiker aus den Achtzigern) nieder und hielt sehr romantisch und stilvoll um meine Hand an. Das Herz schlug mir bis zum Hals. Ich glaube, ich war in diesem Moment ein einziges Lächeln. Mein ganzer Körper lächelte. Die Antwort ist
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