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BE (German Edition)

BE (German Edition)

Titel: BE (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Eichinger
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Deutschen Filmpreis 2010: Bernds Lebenswerk wird ausgezeichnet

Schottland 2010

Meine Damen und Herren, wir schweben im All
    NA ch außen hin muss es so gewirkt haben, als wären Bernd und ich über Nacht unzertrennlich geworden. Nach außen hin ging alles rasend schnell. Für uns war das Gegenteil der Fall. Die Zeit verlangsamte sich bis zur Zeitlupe, und genau das hatte Bernd sich gewünscht: die Zeit zu verlangsamen, den Moment wieder bewusst zu erleben. Nicht das Gefühl zu haben, das Leben rausche an ihm vorbei. Ein Film nach dem anderen, und zum Schluss war man tot. Natürlich war auch alles schrecklich aufregend. Vom ersten Kuss bis hin zu seinem ersten Besuch in London, als ich ihn schon von weitem etwas nervös wartend an der Hotelbar sitzen sah, ein kleines, in rosa Papier eingewickeltes Päckchen vor sich auf dem Tresen liegend. Darin befand sich das erste Geschenk, das er mir machte: eine kleine Flasche Parfum. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich aufgehört Parfums zu tragen, und er wollte mir unbedingt ein neues schenken, trug aber Sorge, dass es mir nicht gefallen könnte. Schließlich ist die Essenz aller Wesen ihr Duft. Das dachte auch Bernd. Mein erstes Geschenk an ihn waren Ovids Metamorphosen nach Ted Hughes. Mein Lieblingsbuch.
    Seinen Film »Das Parfum« sahen wir uns übrigens zum ersten Mal bei meinem ersten Besuch bei ihm zu Hause an. Es war der erste Rohschnitt, das erste Mal, dass er den Film als Ganzes zu sehen bekam. Das war natürlich eine höchst aufregende Angelegenheit. Noch niemand hatte irgendetwas von dem Film gesehen – das war Bernds Baby. Ich hatte eine Idee davon, wie viel er dafür geopfert hatte. Allein schon durch diesen Vertrauensbeweis stand ich während des gesamten Films so unter Strom, dass ich dachte, mir platzten gleich alle Sicherungen. Natürlich war ich mir auch bewusst, wie verletzlich er sich mir gegenüber in diesem Moment gemacht hatte und verhielt mich auch mit der entsprechenden Behutsamkeit. Allerdings hatte ich während unseres ersten gemeinsamen Wochenendes schon das Gefühl, dass Bernd als Mensch verstummt war. Als hätte er irgendwann mal aufgehört, seine Gefühle mitzuteilen. Als wäre seine Seele verkrustet. Und diese Kruste, das war der öffentliche Bernd Eichinger, dessen Leben vollgestopft war mit Menschen, Erwartungen und Verantwortlichkeiten. Eine Kruste, die er sich irgendwann mal als Schutzwall geschaffen hatte – aus Angst vor Verletzungen und aus Angst vorm Verlassenwerden –, und die nun zu einem Gefängnis geworden war. Die einsam machte. Es war, als hätte er in seinem Leben schon so viele Geschichten erzählt, dass er seine eigene verloren hatte. Deswegen wurde Reden und Erzählen so wichtig. Bernd erzählte mir seine Geschichte, er fand sein eigenes Narrativ. Freud hat sicherlich recht: Das Leben ist nicht plausibel. Unsere Lebenspfade ergeben keinen Sinn und führen oft in unterschiedliche Richtungen. Aber wenn wir jemandem unsere Geschichte erzählen, dann können wir die Widersprüche in eine Art Ordnung bringen, mit der wir leben können. Dann wird die innere Zerrissenheit, die wir alle in uns tragen, erträglich. Bernd erzählte mir seine Geschichte, sehr bald mit dem Auftrag, dass ich sie irgendwann erzählen sollte.
    Bernd und ich verstanden uns so gut, es war schnell klar, dass eine Fernbeziehung uns nur unglücklich machen würde. Außerdem hatten wir das beide schon durchexerziert und kannten den Drill. Das war nichts, was einer von uns noch einmal erleben musste. Als ich nach meinem zweiten Besuch in München wieder abreiste, war er so unglücklich, weil ich nichts von meinen Sachen in seiner Wohnung gelassen hatte. Er gab mir den Schlüssel zu seiner Wohnung und bat mich, nächstes Mal doch wenigstens meine Zahnbürste oder ein bisschen Make-up bei ihm zu deponieren. Es mutete ihm selbst seltsam an, denn er hatte ja wie gesagt 25 Jahre lang alleine gewohnt. Aber er fand das Zusammenleben sehr angenehm. Es war sicherlich gut, dass ich aus dem Heartbreak Hotel das respektvolle Zusammenleben gewohnt war. Keine Regeln, nur Respekt füreinander. Behandele den anderen so, wie du selbst behandelt werden willst. Und vor allem: Liebe den anderen so, wie du selbst geliebt werden willst. Deswegen war das Heartbreak Hotel die perfekte Voraussetzung für ein Leben mit Bernd.
    Irgendwann musste ich dann meinem Chef bei Variety gestehen, was in meinem Leben vor sich ging und mit wem. Dass das der Grund sei, warum ich demnächst mehr Zeit in

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