BE (German Edition)
Bernd (Eichinger) war sprachlos. So wurde Bernd hälftiger Besitzer der Constantin Film.
Ganz so glatt ging die Loslösung von Eckes dann leider doch nicht. Es kam später noch zu einem sehr unangenehmen Gerichtsverfahren wegen Abrechnungen und Erlösen. Aber Fazit dieser Transaktion war: Statt Saftunternehmer hatte Bernd nun einen Kamikaze-Helden im Boot, der der Constantin Film einerseits half zu überleben, andererseits die Kassen der Constantin (wenn sie denn gelegentlich mal voll waren) als Selbstbedienungsladen begriff. Aber Bernd war das letztendlich egal, solange er seine Filme machen konnte. Außerdem konnte er sich nicht beschweren: Ihm gehörte nun die Hälfte der Constantin!
Zurück zum Dreh von »Christiane F.«: Vor dem Dreh sagte Bernd laut Uli Edel: »Wir haben ja eigentlich gar kein Geld mehr. Wir haben nur noch 240 000 Mark.« Später wurde es dann wieder mehr, aber das Ganze sah anfangs eher problematisch aus. Auch die Besetzung gestaltete sich schwierig. Uli wollte ein Mädchen für die Hauptrolle besetzen, das Bernd überhaupt nicht gefiel. Die Diskussionen um die Besetzung der Hauptrolle wollten nicht enden. Schließlich bat Bernd Uli, er möge Probeaufnahmen von allen Kandidatinnen machen und die werde man sich dann gemeinsam anschauen. Dabei drehte Uli auch eine Aufnahme, in der er die Mädchen bat, sich in einer Reihe aufzustellen und dann zusammen ganz langsam – wie bei einer Gegenüberstellung bei der Polizei – auf die Kamera zuzugehen. Plötzlich passierte etwas Merkwürdiges: Die Augen des Zuschauers gingen unweigerlich zu einem Mädchen, das sich nur zufällig in der Reihe befand. Sie war eigentlich für die Rolle von Christianes Schwester vorgesehen, weil man sie mit ihren dreizehn Jahren als zu jung dafür hielt, die Wucht der Hauptrolle zu stemmen. Bernd rief: »Uli! Warum nimmste denn nicht die!?« Uli gab zu bedenken: »Ich weiß nicht, die ist doch zu jung …« Aber Bernd ließ sich nicht beirren und bestand darauf: »Die isses! Die müssen wir nehmen!« »Die« war Natja Brunckhorst, eine dreizehnjährige Berlinerin, die auch heute noch mit »Christiane F.« in Verbindung gebracht wird.
Natja, erzähl doch mal, wie du zu der Rolle der Christiane F. gekommen bist.
NB: Ich war 13 Jahre alt und saß in der Schule herum. Das war so eine riesige Gesamtschule, die aussah wie ein Raumschiff. Da gab es 3000 Schüler, und es war wahnsinnig voll. Wenn man mal ein bisschen Ruhe haben wollte, hat man sich in die Ecke gesetzt, einfach auf den Plastikboden. Und ich saß da eben so alleine auf dem Plastik boden und habe meinen Mittagsapfel gegessen. Ich war damals ein richtiges Hippiemädchen, hatte immer eine weinrote Samthose an. Ich war damals oft und sehr viel alleine, das habe ich sicher ausgestrahlt. Jedenfalls kam da plötzlich eine Frau auf mich zu und meinte: »Wir suchen noch dünne Mädchen für einen Film. Hast du Lust, zu Probeaufnahmen zu kommen?«
Und was hast du geantwortet?
NB: So eine typische präpubertäre Antwort wie »wenn’s sein muss …« So nach dem Motto »Ist mir doch egal«. Ich war überhaupt nicht beeindruckt. Dann hat sie mir so einen Zettel gegeben. Ich war damals schon ein bewusst zuverlässiger, pünktlicher Mensch. Und weil ich ja zugesagt hatte, bin ich dann auch zum Casting gegangen.
Wie haben deine Eltern reagiert?
NB: Meine Mutter wohnte nicht mehr bei uns. Mein Vater war Musiker und viel unterwegs. Der war gar nicht da.
Dann warst du auch so ein bisschen im freien Fall wie die echte Christiane F.?
NB: Ja. An diese Einsamkeit von Christiane konnte ich andocken. Ich war sehr auf mich gestellt. Wenn ich morgens aufgewacht oder nach der Schule nach Hause gekommen bin, war keiner da. Ich habe auch eingekauft, habe mir selbst Essen gemacht, habe mich vor den Fernseher gesetzt, habe Schulaufgaben gemacht, bin ins Bett gegangen, habe den Wecker gestellt, bin aufgestanden. Ich hatte sehr sehr viele einsame Tage.
Wie lief das Casting?
NB: Ich musste mehrmals hin. Ich war sehr jung. Die hatten gar nicht damit gerechnet, eine 13-Jährige für die Rolle zu casten. Eigentlich war ich für die Rolle von Christianes Schwester vorgesehen. Aber dann habe ich mich nach mehreren Casting-Runden immer weiter nach vorne gedrängelt. Irgendwann saß ich dann mal im Büro. Da gab es eine Wand mit den Fotos von den verschiedenen Darstellern und den dazugehörigen Rollen. Und auf einmal hing da mein Foto nicht mehr bei der Rolle der Schwester, sondern bei
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