BE (German Edition)
Edgar Reitz 2011 davon:
Inwiefern ist Bernd mit »Heimat« verbunden?
ER: Ich würde sagen in platonischer Weise. Ich ging mit dem Projekt zu Bernd. Der meinte: »Das musst du alles selber machen. Du hast das doch schon alles finanziert bekommen. Wenn du irgendwie in eine Notlage gerätst und nicht weißt, wie es weitergehen soll, helfe ich dir.« Und so kam’s dann auch – später, als die Serie schon fertig war.
Aber zunächst hat Bernd in »Heimat« mitgespielt – wie kam es dazu?
ER: Im Sommer 1982 hatten wir schon etwas über ein Jahr lang gedreht, da gab es diese Szene, in der zwei Manager eines Medienkonzerns im Hunsrück auftauchen. Und da kam mir die Idee, einen dieser beiden Manager von Bernd spielen zu lassen. Sein Kompagnon wird von Laurenz Straub gespielt. Bernd war sofort dazu bereit und kam in den Hunsrück gefahren. Er schaute uns zwei Tage lang beim Drehen zu und begeisterte sich enorm dafür, wie wir dort gewerkelt haben. Dann haben wir zwei Tage lang seine Sequenz gedreht. Wir haben dort alle zusammen in einem Dorfgasthof gewohnt, wo abends auch die Bauern aus der Umgebung hinkamen. Dort saßen wir dann immer und haben geredet. Bernd erzählte mir von seinen Visionen, wie er sich die Zukunft des Kinos vorstellt. Er sagte damals: »Das Kinopublikum wird immer jünger, wir müssen Filme machen für die 14-Jährigen! Wir müssen uns die Phantasie und die Vorstellungswelt der 14-Jährigen bewusst machen, denn das ist die Zukunft des Kinos. Mit dieser Art des Geschichtenerzählens werden wir die Szene voll aufmischen.« Bernd hatte damals schon »Die unendliche Geschichte« im Sinn. Davon hat er sehr viel erzählt.
Hat er Ihnen erzählt, was ihn an diesem Stoff so faszinierte?
ER: Was mir aus diesen langen Gesprächen in Erinnerung geblieben ist, ist vor allem Bernds Gedanke, dass man im Grunde das Kinopublikum von seiner kindlichen Seite her verstehen lernen muss. Er sagte: »Die Leute im Kino sind Kinder, also nicht nur dem Alter, sondern auch dem Gemüt nach.«
Wie hat das auf Sie gewirkt?
ER: Ich habe daraus viel gelernt. Auch in »Heimat« ist diese Sicht häufig drin. Ich habe in der Erzählung sehr oft die Erinnerungen, die man als Kind in sich aufnimmt, verarbeitet. Als »Heimat« fertig geschnitten und gemischt war – es gab noch keine Kopie, sondern nur die Arbeitskopie mit separatem Ton –, haben wir im Filmmuseum eine Vorführung für Bernd und das Team gemacht. Das dauerte zwei Tage, weil der Film 16 Stunden lang ist. Wir haben den Film in zwei Mal acht Stunden hintereinander angeschaut. Bernd hat die zwei Tage da drin gesessen, und am Ende sagte er: »Warum hast du den Titel geändert? Auf der Klappe beim Dreh stand immer ›Heimat‹, und jetzt heißt der Film ›Made in Germany‹.« Da habe ich ihm erzählt, dass mein Titel »Heimat« von den zuständigen Fernsehredakteuren negativ beurteilt worden war. Das mochte beim Fernsehen keiner.
Das scheint im nachhinein unbegreiflich, denn »Heimat« ist ein so starker, emotiver Titel — so widersprüchlich und komplex besetzt …
ER: Ja, das muss man sich mal vergegenwärtigen. Die Fernsehredakteure empfanden den Titel als zu belastet durch die Nazizeit und durch die Pseudo-Folklore des Heimatfilms.
Dabei ist es doch genau diese Belastung, die den Titel interessant macht.
ER: Deswegen meinte Bernd: »Du musst den Film wieder ›Heimat‹ nennen! Wenn du das machst, bezahle ich dir die Premiere.« Er wusste sehr genau, was er damit angezettelt hatte. Ich bin dann nämlich zum WDR gegangen und habe denen gesagt, dass ich meinen ursprünglichen Titel wiederhaben wollte und dass der Herr Eichinger gesagt hätte, er würde mir die Premiere bezahlen. Und dass sie jetzt zwei Möglichkeiten hätten: Entweder der WDR bezahlt mir die Premiere, dann können sie wieder ihren Titel haben. Oder aber sie genehmigen »Heimat«. Es folgten sehr heftige Telefonate. Der WDR fühlte sich erpresst. Bernd hat dann mit dem Abteilungsleiter beim WDR gesprochen, und zwar auf eine Art, wie ich es mich nie getraut hätte. Bernd meinte: »So blöd könnt ihr doch nicht sein, so ein Juwel von Titel nicht haben zu wollen!« Bernd hat die Redakteure regelrecht als beschränkt hingestellt. Da sie den größten Teil des Films bezahlt hatten, hätte ich mich das nie getraut. So hat der WDR mir zähneknirschend den Titel »Heimat« genehmigt, und Bernd hat die Premiere bezahlt. Später, als »Heimat« ein solcher Erfolg war, wollte beim WDR niemand mehr etwas
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