Beast
Gitter. Womöglich geht jemand nachschauen, wo der Krach herkommt.
Zu zweit schleppen wir das Schwein die Treppe hoch. Es ist kalt und glitschig. Hoffentlich habe ich genug Geld dabei.
Thorney schlägt das Schwein in eine weiße Plastikplane ein und hilft mir, es im Kofferraum zu verstauen.
Wie soll ich das Vieh verdammt noch mal bis zum Stausee tragen? Allein schaffe ich das nie im Leben. Von der Parkbucht aus muss man über eine Wiese und vor dem Wasser kommt noch ein zwei Meter hoher Zaun. Schöner Mist.
Ich knalle den Kofferraum fest zu, damit der Deckel nicht wieder aufgeht.
Ich wische mir den Schweiß von der Stirn und bezahle die hundertdreißig Pfund, dann steige ich ins Auto. Dort lehne ich mich zurück und spüre einen Anflug von Erleichterung. Immerzu Schweine ranzuschaffen geht an die Nerven. Ich habe jedes Mal Angst, dass mich irgendwer dabei sieht.
|11| Thorney klopft ans Fenster und ich lasse die Scheibe runter.
»Die meisten Leute wollen, dass der Kopf dranbleibt. Bist du sicher, dass dich dein Chef das Schwein nicht noch mal umtauschen schickt?«
»Ist schon in Ordnung so.« Ich lasse den Motor an.
Das Auto hat mich fast meine ganzen Ersparnisse gekostet. Es ist ein alter Renault 5. Fünftürig, metallicblau. Eine richtige Klapperkiste, aber ich brauchte unbedingt einen Wagen. Vor einem halben Jahr habe ich den Führerschein gemacht. Dafür habe ich jede freie Minute in der Resopalfabrik gearbeitet. Der Wagen hat Versicherung, TÜV und so weiter, alles ganz offiziell. Die haben ganz schön gestaunt. Ich habe nämlich noch nie auf irgendwas gespart. Ich habe selber über mich gestaunt. Aber jetzt habe ich kaum noch Geld übrig, nicht bei den Fleischpreisen heutzutage. Ich muss mir was einfallen lassen, wie ich ihn füttere, denn letzte Woche haben sie mich bei Resopal-Qualitätshaushaltswaren gefeuert.
Am besten nehme ich das Schwein mit nach Hause und zerlege es dort. In Einzelteilen ist es zu schaffen. Du stellst dir das vielleicht einfach vor, aber von wegen! Mein Zuhause ist nämlich gar nicht mein richtiges Zuhause, auch wenn ich schon drei Jahre da wohne, und die Familie ist auch nicht meine richtige Familie. Ich bin ein sogenanntes Pflegekind. Als ich noch jünger war, nannte man so was Fürsorgezögling.
Von Bexton sind es fünf, sechs Kilometer bis zu den Reynolds – oder sollte ich besser von »meinem Zuhause auf Zeit« sprechen? Die Reynolds wohnen ziemlich ab |12| vom Schuss, jedenfalls für meinen Geschmack. Drüben in Gruton gibt’s eine Kneipe und ein paar Geschäfte und das war’s auch schon. Meine Pflegefamilie besteht aus Jimmy Reynolds, seiner Frau Verity und ihrem Sohn Robert (elf) – zu denen kommen wir nachher, denn jetzt muss ich erst mal aufpassen, dass ich ihrer fünfzehnjährigen Tochter Carol nicht über den Weg laufe. Carol, der Satansbraten. Ihr entgeht so gut wie nichts.
Ich biege von der Hauptstraße ab und parke auf der Kieseinfahrt. Es ist gegen fünf Uhr nachmittags. Die Reynolds haben einen hübschen Garten: jede Menge Blumen, ein Baum mit einer Schaukel dran und keine beknackten Gartenzwerge oder anderen Firlefanz, auf den meine Oma so steht. Nachbarn haben die Reynolds keine. Ist wohl auch besser so, wenn man bedenkt, dass sie sich schon ewig um solche wie mich kümmern, manchmal um noch üblere Kandidaten. Wer hat schon gern lauter durchgeknallte Jugendliche im Nebenhaus wohnen? Das Haus ist ziemlich groß. Jeder hat ein eigenes Zimmer, man kann sich also aus dem Weg gehen. Ich gehe rein und wasche mir an der Küchenspüle das Gesicht. Dann mache ich mir meinen Lieblingstoast: Käsetoast mit brauner Soße, das Ganze in der Mikrowelle überbacken.
»Hier müffelt’s«, ruft es schrill hinter mir.
Carol. Ich beachte sie gar nicht.
»Das ist widerlich«, macht sie weiter. »Hat dir deine Mutter nicht beigebracht, wie man sich wäscht?«
Um sie zu ärgern, trockne ich mir die Hände am Geschirrtuch ab. Dann kommt ihr Vater Jimmy rein und sie |13| verwandelt sich auf einmal in ein hübsches Mädchen mit dunklen Augen, roter Hose und rosa T-Shirt .
»Das Hemd steht dir nicht, Dad«, quietscht sie.
»Frechdachs«, sagt er, wuschelt ihr durchs Haar und nickt mir zu. Dann geht er in den Wintergarten durch, wo Verity sitzt und Zeitung liest. Carol dreht sich nach mir um, lächelt überheblich und stolziert hinterher.
Ich seufze. Ich bin zu alt für solchen Quatsch. Ich hab die Nase voll davon, dass man mich in fremde Familien reinquetscht wie ein
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