Beast
ich wie verrückt. Vor allem jetzt, wo er wieder ruhig ist und ich ihn nicht sehe. Ich schließe das Schloss auf und klappe die Luke auf. Ich zerre das Schwein aus dem Sack und schleife es vor die Öffnung. Dann schiebe ich es rein, |32| helfe mit dem Fuß nach. Schlagartig geht es mir besser, aber ich bin noch nicht fertig. Sonst habe ich ihm immer beim Fressen zugesehen. Ich habe mich bäuchlings aufs Gitter gelegt und beobachtet, wie er sein Futter wie ein Rasender in Stücke reißt. Diesmal gehe ich rasch die andere Schweinehälfte holen. Ich nehme den glatten, nassen Brocken auf beide Arme und torkele damit wieder zum Käfig. Diese Hälfte kommt mir schwerer vor, vielleicht liegt das aber auch nur daran, dass ich erschöpft bin und meine Hand scheußlich wehtut. Ich verschnaufe auf der Böschung neben dem Käfig und halte das Schwein an mich gedrückt. Es sieht immer noch wie ein Schwein aus. Gleich ist es nur noch ein undefinierbarer Klumpen Blut und Knochen.
Ich bin total erledigt. Ich will endlich duschen. Ich will in meiner eigenen Wohnung in meinem eigenen Bett liegen, in meinem eigenen Bettzeug, das nicht nach der Pisse und dem Schweiß von hundert anderen Pflegekindern mieft. Ich will mich an einen warmen, weichen Mädchenrücken kuscheln.
Ich schließe das Vorhängeschloss noch mal auf und klappe die Luke vorsichtig zurück, damit sie nicht aufs Gitterdach scheppert. Das Schwein ist zu schwer, ich kann es nicht einfach reinwerfen. Meine Arme streiken. Darum schiebe ich das Vieh in Richtung Luke, bis die obere Hälfte in den Käfig hängt. Dann lasse ich es zentimeterweise am Hinterbein runter. Plötzlich kommt es mir vor, als ob das Dach unter mir einkracht, und ich kippe fast vornüber. Der verdammte Käfig bricht zusammen! Ehe ich mich wieder gefangen habe, gibt es einen fürchterlichen |33| Ruck, es haut mich um, ich knalle mit der Schläfe aufs Gitter und werde auf die Luke zugeschleift.
Lass los, lass los, LASS LOS!
Ich rudere mit den Armen und halte mich am Rahmen der Luke fest. Mein Kopf ragt in die Öffnung, und als das Schwein ins Wasser klatscht, spritzt mir eine Fontäne ins Gesicht. Ich werfe mich nach hinten und knalle die Luke im selben Augenblick zu, als er nach mir schnappt.
|34| Vier
Ich hab doch nicht meinen Dad in einen Käfig gesperrt! Für wie gestört hältst du mich? Ich kann dir verraten, was da drin ist. Es ist ein Tier, ein verdammtes Ungeheuer. Du kriegst es noch früh genug zu sehen, keine Bange. Ich habe da so meine Pläne.
Als ich das Schwein los bin, fahre ich wieder zu den Reynolds und bin ziemlich durch den Wind. Als ob ich nicht schon genug Sorgen hätte! Eine Stange ist durchgerostet, der Käfig ist nicht mehr sicher. Ich glaube zwar trotzdem nicht, dass er ausbrechen kann, aber auszuschließen ist es nicht. So kann es nicht weitergehen. Schließlich wäre ich beinahe draufgegangen. Und ich bin verletzt. Im Gesicht. Das ist passiert, als er mich über das Gitter geschleift hat. Ich habe mir einen Schneidezahn angeschlagen und jetzt kribbelt und sticht es scheußlich. Hoffentlich fällt der Zahn nicht raus. Ich habe gute Zähne. Keine einzige Plombe. Alle beneiden mich um meine Zähne. Sogar Carol hat mal gemeint, die wären klasse. Als ich vor drei Jahren bei den Reynolds eingezogen bin, musste sie eine Spange tragen. Ein Draht quer über die oberen Zähne und einer über die unteren. Vielleicht hatte sie ja deshalb von Anfang an etwas gegen mich. Vielleicht war sie einfach nur neidisch. Aber kann |35| man jemanden darum nicht ausstehen, weil man neidisch auf seine guten Zähne ist? Das ist doch Quatsch, oder?
Ich halte unterwegs an und stopfe die blutverschmierten Schweinesäcke in ein Gebüsch, weil ich den Gestank nicht mehr aushalte.
Als ich wieder zu Hause bin, ist es schon fast Mitternacht. Ich höre, dass der Fernseher noch läuft, und gehe ins Wohnzimmer. Jimmy hat auf mich gewartet. Er sieht blass aus und hat Ringe unter den Augen.
»Ich hab mir Sorgen gemacht«, sagt er.
Ich nicke.
Ich kann’s nicht fassen, dass mir Jimmy und Verity die Geschichte abgekauft haben. Dass ich meinem Dad ein ganzes Schwein bringe, weil er solchen Hunger leidet. Wieso haben sie nicht gefragt, ob ich ihm nicht lieber ein Paket belegte Brote und ein paar Teebeutel bringen will, wie es jeder normale Mensch machen würde?
Ich kann dir sagen, wieso sie mich das nicht gefragt haben. Weil wir beide in ihren Augen Tiere sind. Klar, Jimmy lässt mich bei sich wohnen und sagt
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