Beastly (German Edition)
altes Selbst wiedererlangen. Wenn nicht, wirst du für immer ein Monster bleiben.«
»Eine winzige Chance wäre wohl besser ausgedrückt.« Eine Halluzination, ein Traum. Vielleicht hatte sie mir so etwas wie Säure untergejubelt? Aber wie alle Träumer spielte ich mit. Was blieb mir anderes übrig, wenn ich schon nicht aufwachte? »Kein Mensch würde sich jetzt in mich verlieben.«
»Du glaubst nicht, dass dich jemand lieben könnte, wenn du nicht schön bist?«
»Ich glaube nicht, dass sich jemand in ein Monster verlieben könnte.«
Die Hexe lächelte. »Wärst du lieber eine dreiköpfige Schlange mit Flügeln? Ein Wesen mit einem Adlerschnabel, den Beinen eines Pferdes und den Höckern eines Kamels? Ein Löwe vielleicht oder ein Büffel? Hey, wenigstens hast du einen aufrechten Gang.«
»Ich möchte wieder so sein, wie ich war.«
»Dann bleibt dir nur die Hoffnung, dass du jemanden findest, der besser ist als du, und dass es dir gelingt, ihre Liebe durch deine Güte zu gewinnen.«
Ich lachte. »Yeah, Güte. Mädels stehen total auf Güte. «
Kendra ignorierte mich. »Sie muss dich trotz deines Aussehens lieben. Das ist eine Umstellung für dich, nicht wahr? Und denk daran, du musst ihre Liebe erwidern – das wird für dich der schwierigste Teil sein – und das Ganze mit einem Kuss besiegeln.«
Einem Kuss, na klar. »Hör mal, das war wirklich lustig. Aber verwandle mich jetzt zurück, oder was immer du angestellt hast. Das hier ist kein Märchen – es ist New York.«
Sie schüttelte den Kopf. »Du hast zwei Jahre.«
Und dann war sie weg.
Das war vor zwei Tagen. Inzwischen wusste ich, dass das die Realität war und kein Traum, keine Halluzination. Realität.
»Kyle, mach die Tür auf!«
Mein Vater. Ich war ihm das ganze Wochenende aus dem Weg gegangen, Magda ebenso. Ich blieb in meinem Zimmer und ernährte mich von den Snacks, die ich dort gehortet hatte. Jetzt schaute ich mich in meinem Zimmer um. Fast alle Gegenstände, die man zerschlagen konnte, waren kaputt. Aus offensichtlichen Gründen hatte ich mit dem Spiegel angefangen. Dann hatte ich mit dem Wecker, meinen Hockey-Trophäen und jedem einzelnen Kleidungsstück aus meinem Schrank weitergemacht – davon passte mir sowieso nichts mehr. Ich hob eine Spiegelscherbe auf und starrte hinein. Schrecklich. Ich ließ die Scherbe sinken und erwog einen einzigen schnellen Schnitt durch die Halsschlagader, der alles beenden würde. Dann würde ich meinen Freunden, meinem Vater nie unter die Augen treten müssen, niemals als das leben müssen, was aus mir geworden
war.
»Kyle!«
Seine Stimme erschreckte mich, und ich ließ das Glas zu Boden fallen. Ich brauchte den Schock, um wieder zur Besinnung zu kommen. Dad konnte das wieder hinkriegen. Er war reich. Er kannte Schönheitschirurgen, Dermatologen – die besten New Yorks. Er würde das wieder geradebiegen.
Und wenn nicht, war für das andere immer noch Zeit.
Ich ging zur Tür.
Als ich klein war, war ich einmal mit meinem Kindermädchen auf dem Times Square gewesen. Ich hatte aufgeschaut und Dad auf der riesigen Videowand dort oben, hoch über allen anderen, gesehen. Das Kindermädchen hatte versucht, mich weiterzuziehen, aber ich konnte nicht aufhören hinaufzustarren, und ich bemerkte, dass auch andere Menschen die Videowand und meinen Dad anblickten.
Am nächsten Morgen war mein Dad noch im Bademantel, als er meiner Mutter von irgendeiner wichtigen Story erzählte, die er am Abend zuvor in den Nachrichten verlesen und die all die Menschen dazu veranlasst hatte, nach oben zu schauen. Ich hatte Angst, ihn überhaupt anzusehen. Ich hatte noch immer vor Augen, wie er größer als alles andere über mir stand – ein Teil der Skyline, fast wie ein Gott. Ich hatte mich vor ihm gefürchtet. An diesem Tag erzählte ich allen in der Schule, dass mein Dad der wichtigste Mann der Welt sei.
Das ist schon lange her. Heute wusste ich, dass Dad nicht perfekt, dass er kein Gott war. Ich war nach ihm auf der Toilette gewesen, und hatte gemerkt, dass es auch bei ihm stank.
Aber jetzt fürchtete ich mich wieder, als ich zur Tür ging. Ich stand da, die Hand auf dem Türknauf und die Wange ganz nah am Holz.
»Ich bin hier«, sagte ich sehr leise. »Ich mache jetzt die Tür auf.«
»Ja, mach auf.«
Ich zog die Tür auf. Es schien, als hielte ganz Manhattan den Atem an, und ich konnte diesen Moment wahrnehmen, als wäre ich draußen in den Wäldern: Meine Zimmertür, die über den Teppich schabte, meinen Atem,
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