Beautiful Americans - 01 - Paris wir kommen
wäre dann?«, fragte ich unwillkürlich.
»Ich meine, vielleicht kann ich ja wirklich andere Sachen ganz gut. Aber das kann ich nicht wissen - ich habe nämlich nie was anderes gemacht«, erklärte Olivia. »Es ist nicht so, dass meine Eltern mich unbedingt auf der Bühne sehen wollen - es geht nur darum, dass ich ein Stipendium für die UCLA bekomme. Ich habe eine sehr enge Beziehung zu meiner Familie. Ich kann es kaum erwarten, in den dreiwöchigen Weihnachtsferien nach Hause zu kommen.« Sie blickte sehnsüchtig auf ein Foto, auf dem sie selbst mit ihrer Familie am Strand zu sehen ist.
»Oh, ich wollte nicht neugierig sein.«
Ich änderte meine Sitzposition auf dem Bett, sodass ich sie nicht mehr direkt anschauen musste.
Den Wink verstand Olivia sofort und machte sich wieder an ihre Dehnübungen.
»Meine Gastfamilie?«, schnaubt Alex verächtlich, während sie pinken Lipgloss aufträgt. Wir warten noch immer darauf, dass Mme. Cuchon mit der Einführung anfängt, aber sie steht im Flur und ist in ein ernstes Gespräch mit einer hübschen jungen Geschichtslehrerin namens Mademoiselle Vailland vertieft. Anscheinend handelt es sich nur um eine Sich-Gegenseitig-Kennenlernen-Stunde für die Schüler aus dem »Progamme Americaine«. »Meine Gastfamilie ist... ach, ist auch egal. Meine Gasteltern sind ziemlich einfach gestrickt - sie gehören zu den Familien, die nach dem Abendessen femse- hen.« Alex macht ein Geräusch, als müsste sie sich übergeben.
»Du bist lustig«, lacht Olivia. »Da hast du doch Glück. Ich dachte, ich würde hier in eine richtige Familie kommen - mit Geschwistern, einem Vater ... eben wie zu Hause. Aber da sind nur Mme. Rouille, ihre Hunde und ich! Und natürlich PJ.« Sie berührt mit einer netten Geste meinen Arm. »Na, wenigstens haben wir uns gegenseitig, stimmt's, PJ?«
»Ich werde aber nicht ewig bleiben«, sage ich schnell und weiche zurück. Bestimmt sehe ich aus wie ein verängstigtes Tier.
»Wie meinst du das?« Alex mustert verwirrt Olivias Hand auf meinem Arm. »Seid ihr beide in derselben Familie oder was?«
»Im Moment schon«, erkläre ich und versuche nicht zu bitter zu klingen. Schließlich waren Olivia und Mme. Rouille echt nett zu mir. Ich lasse meine Fingerknöchel knacken, sodass Alex bei dem Geräusch zusammenzuckt. »Meine Gasteltern sind am Samstag nicht aufgetaucht.«
»Ha!«, platzt es aus Alex heraus. »Das ist nicht dein Ernst? Du hast sie also noch gar nicht kennengelernt?«
Ich schüttle den Kopf.
»Ich wette, die sind gerade einfach nur auf ihrem Landhaus oder so«, sinniert Alex. »Die Franzosen haben eine sehr nachlässige Einstellung, was Verabredungen und Termine und so betrifft. Na ja, du kennst das ja.«
Eigentlich wollte ich sagen: Nein, das kenne ich nicht. Warum haben sie mich an meinem Ankunftstag in Paris nicht abgeholt? Warum haben sie nicht Mme. Cuchon angerufen, wenn sie ihre Pläne geändert hatten? Kann es sein, dass sie wissen, was alles im Sommer passiert ist und dass sie deshalb nichts mit mir zu tun haben wollen?
Alex kichert. »Wenn du jemals in der Dordogne warst, würdest du auch nicht zurückkommen wollen.«
Da entdeckt Alex ein paar der anderen Mädchen, die wir gestern am Flughafen kennengelernt haben, steht auf und streicht sich die schwarze Shorts und das Jersey-Tank-Top glatt.
»Hi, Ladys!«, ruft sie und geht um die Tische herum, um mit ihnen zu quatschen. Alex strahlt den anderen Schülern gegenüber eine Anziehungskraft aus, als besäße sie einen Zauberschalter: Wenn sie allein sein will, lässt man sie in Ruhe, aber wenn sie gern Kontakt hat, umringen sie alle. Die anderen Mädchen bewundern Alex' Goldsandalen und wollen wissen, ob es sich um echte Jimmy Choos handelt (was auch immer das ist), und die Jungs, die sich als Grüppchen alle auf einer Seite des Raums zusammengerottet haben, werfen ihr verstohlen bewundernde Blicke zu. Bestimmt entgeht ihnen nicht, dass ihr das dünne Top ziemlich sinnlich über die Brüste fällt. Alex ist zwar nicht groß, aber ihre Schuhe und ihre kurzen Shorts verlängern optisch ihre Beine. Ihr glänzend blauschwarzes Haar, das sie mit genau der richtigen Menge an Stylingprodukten in kunstvolle Schichten gelegt hat, ist das i-Tüpfelchen. Sie sieht so geschniegelt aus, als wäre heute Morgen ein ganzes Stylistenteam zu ihr in die Gastfamilie angerollt gekommen und hätte sie für die Schule fertig gemacht.
»Mein BlackBerry hat hier einen total schlechten Empfang«, beklagt sich
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