Beautiful Americans - 02 - Kopfüber in die Liebe
herumgelaufen sind, haben Pierson und Hannes bestimmt eine geschlagene Stunde lang rumgeknutscht, ehe Hannes in seine eigene Wohnung zurückgekehrt ist. »Ich würde so gern mitkommen«, habe ich Pierson halb heulend zu Hannes sagen hören, aber man muss Hannes zugutehalten, dass er nur gelächelt hat und gegangen ist. Wenigstens er hat noch Manieren, wenn es um Freundschaft versus Sex geht! Aber wenn man mitbekommt, wie Pierson sich im Moment benimmt, würde man glatt denken, dass er Hannes seit Monaten nicht gesehen hat!
Äh, Moment mal, dabei bin ich es ja, den Pierson seit Monaten nicht gesehen hat.
Hannes kommt angerannt, als wir gerade auf die Räder springen, und küsst Pierson zur Begrüßung schnell auf die Wange. Wieder haut es mich um, wie offen sie es zeigen.
»Aufgepasst, Amsterdam, hier kommen die Schwulen auf Tour«, ruft Pierson, als wir uns vom Bahnhof entfernen und die Spuistraat entlangfahren. »Wir kommen!«
»Na, da hat einer aber gute Laune!«, sage ich.
»Aber hallo«, antwortet Pierson. »Ich habe meine drei liebsten Menschen um mich herum, und danach werden wir die besten frites essen, die du je gegessen hast. Welkom in Amsterdam, willkommen im Paradies, stimmt's oder hab ich recht?«
Es ist ein kühler Vormittag, perfekt, um sich ein bisschen zu bewegen, und eine tolle Tageszeit, um mit meiner Digitalkamera zu fotografieren. Über Nacht von Cannes nach Amsterdam. Unglaublich. Binnen vierundzwanzig Stunden, seit meiner Ankunft, hat das angespannte Rauschen in meinen Ohren nachgelassen - diese beklommene Nervosität, die mich immer befällt, wenn ich in Jays Nähe bin, wenn ich Angst habe, Alex aufzuregen, und wenn ich mich dauernd frage, wo um Himmels willen PJ Fletcher steckt und was ist, wenn ihr etwas wirklich Schlimmes zugestoßen ist.
»Auf jeden«, rufe ich zurück und spüre, wie ich, ohne es zu wollen, breit grinse. Ich trete schneller in die Pedale und überhole Pierson, genau wie früher, als wir noch Kinder waren. Mit rausgestreckter Zunge ziehe ich an ihm vorbei.
»Ganz recht, Bruder Pierson - Zack ist wieder da!«
Pierson lacht, und ich stimme mit ein, während ich weit vor ihm fahre.
18 · PJ
Die Chance beim Schopf packen
»So, Penny Lane, erzähl uns doch mal, wie Paris so ist«, bittet Annabel beschwingt von der Couch aus, wo sie sich gemütlich neben Marco eingerollt hat. »Du bist so schweigsam, seit du hier bist. Es ist nun schon - wie lange? - anderthalb Wochen her, und ich weiß noch immer nicht, was du alles gemacht hast, seit wir uns zum letzten Mal gesehen haben.«
Es gab Zeiten - immer, wenn ich mich einsam gefühlt und mich gefragt habe, wo meine Schwester steckt und ob ich sie wohl wiedersehe oder nicht -, als mich der Gedanke daran, meiner Schwester alle schönen und verstörenden Momente des letzten Schulhalbjahres in Paris zu erzählen, getröstet hätte. Im Stadthaus der Marquets am Places de Ternes, in dem ich die Abende so oft allein ohne meine Gasteltern verbracht habe, die in ihrem Landhaus in der Dordogne weilten, habe ich manchmal sogar laut mit mir selbst gesprochen, so als wäre Annabel bei mir.
»Ich weiß nicht genau, wie ich Jay finde«, habe ich kichernd gesagt, während ich mir eine Tütensuppe warm gemacht habe. »Er sieht echt gut aus und ist klug, aber so ganz anders als ich. Worüber wir wohl reden würden, wenn wir uns mal zu zweit verabreden würden?«
Dann habe ich mir vorgestellt, wie Annabel sich auf die Küchentheke setzt und mir dabei zusieht, wie ich die klumpige Linsenmischung in das heiße Wasser rühre. Nichts wie ran, Penny Lane. Er ist heiß! Und außerdem, was hast du schon zu verlieren?
Als wir noch zu Hause gelebt haben, hat Annabel mich immer damit genervt, ich solle mir endlich einen Freund zulegen.
»All you need is love«, hat sie mir oft gesagt, als sie total in Dave verliebt war und in ihrem Flanellschlafanzug in unserem Zimmer herumgetanzt ist.
Das ist richtig. Aber auch falsch.
»Was willst du denn wissen?« Ich bin oben im Speicher, sodass ich nicht sehen kann, was sie gerade für ein Gesicht macht, aber ich kann mir gut ihre Miene vorstellen. Bestimmt sieht Annabel so aus wie immer, wenn sie interessiert ist, mich aber auch ein bisschen necken will. Und Marco hat nur den einen Wunsch - dass ich verschwinde. Das letzte Mal, als er Annabel gesehen hat, gab es noch keine kleine Schwester. Nur ein Versprechen, eine Einladung. So spontan und unbürgerlich Marco auch ist, bin ich doch ziemlich sicher, dass
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