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Beautiful Americans 03 - Leben á la carte

Beautiful Americans 03 - Leben á la carte

Titel: Beautiful Americans 03 - Leben á la carte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Silag
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Hand. So füllen sie die Flohmarktgassen noch mehr, haben noch mehr Masse, um die man herummanövrieren muss.
    Jay und Cory verlassen den Hauptteil des Flohmarkts. Ich folge ihnen zu einem Bereich, an dem Händler Gebrauchtwagen mitsamt Einzelteilen und Zubehör entlang des Zaunes der Périphérique verkaufen. Dort gibt es auch Möbel: kaputte Stühle und Tische, ein paar Kommoden, die mir Deckung bieten.
    »Was willst du denn mit Autoteilen?«, höre ich Jay Cory fragen.
    »Schau ich mir einfach gerne an, weißte?«
    »Verstehe«, sagt Jay.
    »Oder haste eine bessere Idee, wo wir hingehen können?«, fragt Cory.
    »Nee, hab ich nicht«, entgegnet Jay. Seine Augen, die um die dunklen Ränder Fältchen haben, blicken verzweifelt ins Leere. »Ich hab keine bessere Idee.«
    »Komm schon.« Cory zerrt Jay zu einem Typ hinüber, der Volkswagenteile verkauft - die kleinen Schriftzüge, die man am Kofferraum anbringen kann, und solche Sachen. Jay zieht die Augenbrauen hoch. Er sieht gelangweilt aus. Gelangweilt und unglücklich.
    Hier sind nicht mehr so viele Menschen, und ich habe jetzt Angst, entdeckt zu werden. Allerdings kann ich hier auch Jay wesentlich besser sehen.
    Allein bei seinem Anblick werde ich geradezu müde. Fühle mich erschöpft. So als sollte ich einfach zu ihm gehen und meiner ganzen Qual ein Ende setzen. Er würde wortlos meine Hand nehmen und wir würden uns an irgendein stilles Plätzchen verziehen.
    Ich müsste Jay nicht erklären, was in den letzten Monaten vorgefallen ist. Er würde sich einfach nur darum kümmern, dass ich etwas zu essen hätte und einen schönen Schlafplatz. Und danach könnten wir überlegen, was wir tun. Ich könnte ihn bitten, mich an einen warmen Ort zu bringen, an dem meine dunkle Vergangenheit und meine großen Fehler nicht so sehr ins Gewicht fallen.
    Ich schaudere. Ich bin die Einzige hier, die noch ihre Jacke anhat, trotz der für die Jahreszeit ungewöhnlichen Wärme. Darunter trage ich die alte Wolljacke von meinem Dad, die ich bis obenhin zugeknöpft habe. Dennoch ist mir noch immer kalt. Die Kälte sitzt mir tief in den Knochen, tief in mir drin, und mir will einfach nicht warm werden.
    Noch immer ist mir kalt von der Wohnung in Rouen mit Annabel, in der nur zwei bis drei Stunden pro Tag geheizt wurde. Mir ist auch noch kalt von dem verlassenen Hostel in Cherbourg. Mir ist kalt von den Zugfahrten, von der Fahrt in dem scheppernden alten gelben Van der Goddess and Light Band, dessen eines Fenster kaputt war, sodass die eisige Luft ungehindert eindringen konnte.
    Ich denke: Vielleicht ist mir auch noch kalt von meinem Gang durch Paris an Heilig Abend. Mir ist noch überall dort kalt, wo M. Marquet mich berührt hat und nicht mehr loslassen wollte, wenn ich mich nicht zur Wehr gesetzt hätte.
    Jay dreht sich leicht in meine Richtung. Schnell ziehe ich mir einen Lederschlapphut von einem absplitternden Hutständer und setze ihn auf, so als wollte ich ihn anprobieren und mich damit im Spiegel betrachten. Unter dem modrigen Hut knete ich meine blonden Haare rings um meine Schultern und tue so, als könnte ich mich nicht entscheiden, ob ich ihn kaufen soll oder nicht. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Jay und Cory weitergehen. Flugs hänge ich den Schlapphut wieder auf den Hutständer zurück.
    Für manche Menschen, wird mir bewusst, während ich Jay ein Stück vorausgehen lasse, wäre diese ganze Sache vielleicht das Schlimmste, was ihnen je passiert ist. Ich. Ich und mein Selbstmord sind die traurigsten, abgefahrensten Sachen, die sie je erlebt haben. Und dabei ist das Ganze ja nicht nur nicht real und sie sollten diesen Schmerz also gar nicht fühlen, sondern es ist auch noch ganz allein meine Schuld, dass sie sich so elend fühlen.
    »Schau mal hier, Jay.« Cory bleibt abrupt neben ein paar alten Fahrrädern stehen. »Sieh dir mal diese Räder an. Quel est votre meilleur prix?«, fragt er den Typen, der die Fahrräder verkauft.
    »Fünfzig Euro«, erklärt der Mann Cory auf Englisch. »Pro Stück.«
    »Fünfzig Euro?« Jay lacht spöttisch auf. »Niemals. Die sind doch total kaputt!«
    »Kaputt, ja«, antwortet der Mann Jay und Cory. »Aber trotzdem noch was wert. Wisst ihr, wie man Fahrräder repariert?«
    Cory nickt. Man kann ihm ansehen, dass er wirklich gern eines der Fahrräder hätte.
    Jay stößt geräuschvoll den Atem aus. »Nee, Mann. Kaputt heißt, dass es eben nicht mehr viel wert ist. Schließlich ist es nun mal kaputt.«
    »Ja, vielleicht schon.« Cory

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