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Beautiful Americans 03 - Leben á la carte

Beautiful Americans 03 - Leben á la carte

Titel: Beautiful Americans 03 - Leben á la carte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Silag
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ich in Erfahrung gebracht, wo Mme Sanxay die Frühstücksflocken und alles andere aufbewahrt, was man den Kids zum Fraß vorwerfen kann, falls sie hungrig aussehen. Die ganze Situation war zwar trotzdem noch schrecklich genug, auch ohne Ton, aber dennoch schien es recht gut zu funktionieren. Immerhin gab's keine Toten oder Verletzten, nicht?
    Doch in der darauffolgenden Woche rief mich Mme Sanxay, als sie nach Hause kam, geschlagene fünf Minuten lang von der Tür aus - wo sie voll beladen mit Lebensmitteln vom Franprix stand -, ohne dass ich sie hörte. Ich saß nichtsahnend im Kinderzimmer, mit Charles im Laufstall, während Albert und Emeline vor mir irgendwelche Burgen aus Legosteinen bauten. So laut waren die beiden diesmal gar nicht, aber sicherheitshalber hatte ich die Ohrstöpsel trotzdem drin. Während ich den Kindern beim Burgbau zusah, hatte ich einen total intensiven Tagtraum: Zack schreibt mir eine SMS, dass er mir vergibt, und um die verlorene Zeit wiedergutzumachen, wolle er mich ins Hotel du Nord direkt am Canal Saint-Martin auf einen Drink einladen. Irgendwann bin ich aufgeschreckt und habe gemerkt, dass die Kids gar nicht mehr im Spielzimmer waren. Als ich mich umdrehte, standen Albert, Emeline und Mme Sanxay direkt hinter mir und starrten mich an. Mme Sanxay hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Ich nahm die Ohrstöpsel heraus und schob sie in die Taschen meines tulpenförmigen braunen Rocks. Mme Sanxay fragte mich ganz ruhig, ob ich ihr bitte beim Reintragen und Auspacken der Lebensmittel, die sie in der vorderen Diele abgestellt habe, helfen könne.
    Vom Legospiel zu Tode gelangweilt, bekam ich schließlich heraus, wie man das Freebox-Kabelfernsehen der Sanxays benutzte, und fand einen englischsprachigen Sender, auf dem South Park lief.
    »Schaut mal, ein Zeichentrickfilm!«, sagte ich zu den Kids, und jetzt sehen wir uns South Park jeden Nachmittag bis um kurz vor sechs an, wenn Mme Sanxay nach Hause kommt. Natürlich achte ich sorgsam darauf, dass ich erst auf einen anderen Sender umschalte, ehe ich den Fernseher ausmache, damit sie nicht merkt, dass ich mir englischsprachige Programme ansehe, statt mich mit ihren Kindern zu beschäftigen. Albert liebt South Park, vor allem, wenn irgendetwas Blutiges passiert. An einem Nachmittag gab es zwischen uns sogar mal einen kurzen Kontakt, als Kenny im Trickfilm enthauptet wurde und starb. Aber dann schrie Emeline los und heulte, und prompt wachte natürlich Charles auf, und ich musste ein paar Cerealien und eine Flasche suchen und wäre am liebsten wieder gestorben.
    Später hat mir Mme Sanxay die Hölle heiß gemacht, dass ich Bezahlfernsehen schaue. Und meinte, ich solle langsam mal anfangen, mit den Kids während des Babysittens rauszugehen. Irgendetwas unternehmen.
    »Oui, geh ins Puppentheater, spiel im Park ... was noch?«, fährt Mme Sanxay eben gerade fort, während sie nach ihren Schlüsseln sucht.
    Mme Sanxay ist nicht unattraktiv, aber sie lässt sich echt total gehen. Zum Beispiel hat sie ein recht niedliches Gesicht und ihre Brille hat Stil. Aber ihre Haut ist fast schon staubig, so dringend hat sie mal ein Peeling nötig, und sie scheint nie diese schlaffe, zerzauste Haarmasse oben auf ihrem Kopf zu kämmen. Tag für Tag sieht sie aus wie auf irgendeinem Verbrecherfoto. Das ist echt so was von deprimierend.
    Noch deprimierender sind die Nachmittage, an denen Mme Sanxay mich bittet, noch etwas länger dazubleiben, obwohl sie schon nach Hause gekommen ist, weil sie mit ihrer elsässischen Halbschwester telefonieren will. Dabei macht sie sich gar nicht die Mühe, in ein anderes Zimmer zu gehen, denn die beiden reden auf Deutsch miteinander - also echt: ausgerechnet Deutsch -, was die Kids nicht verstehen. Und ich auch nicht. Das sind die einzigen Male, an denen ich sie mal so richtig lachen sehe: am Telefon mit ihrer Schwester.
    Nach diesem Vorfall mit dem Bezahlfernsehen habe ich meine Mom angerufen, um mich über die Gesamtsituation zu beschweren. Ich meine, okay, ja, ich hab's kapiert. Lektion verstanden. Können wir dann jetzt nicht bitte damit aufhören?
    »Mom«, kam ich aufs Thema zu sprechen. »Madame Sanxay braucht eigentlich gar kein Kindermädchen. Sie geht ja nicht mal arbeiten. Sie will nur nicht ihre eigenen abscheulichen Kinder um sich haben!«
    »Trotzdem hat sie viel zu tun, Alex«, entgegnete meine Mom missbilligend. »Wann soll sie denn sonst zur Bank gehen? Zum Einkaufen? Mit drei Kindern im Schlepptau, von denen

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