Beautiful Americans 03 - Leben á la carte
ihnen eine Fratze. Blöderweise sieht das aber auch Charles und fängt an zu weinen. Nein, nicht schon wieder!
»Oh, sssssch, du meine Güte«, brumme ich.
Emeline und Albert wollen partout nicht zu der schmalen leeren Sitzfläche gehen, und so stehen wir alle wie die Idioten hinten, wo wir nichts sehen können und ich mich, um ehrlich zu sein, auch überhaupt nicht amüsiere. Aber zumindest sind die beiden Älteren mal eine Weile still. Ich hebe Charles aus dem Kinderwagen und lasse ihn auf meiner Hüfte auf- und abhüpfen, genau so, wie eine Mom es in meiner Nähe tut. Ihr Baby ist ruhig. Meins sollte es auch sein.
»Komm schon, Charles, sei brav«, flüstere ich. »Alle anderen hier benehmen sich echt viel besser als du im Moment.«
Charles holt ein paarmal schnappend nach Luft. Was normalerweise heißt, dass er kurz vor dem Explodieren ist.
»Non, Charles, non!«, sage ich ganz leise. »Lass deine Mama stolz auf dich sein. Komm! Sei jetzt still, ja?«
Links von mir höre ich jemanden laut lachen. Ich blicke nach vorne zur Puppentheatervorstellung, von der ich kein Wort verstehe, und mir bietet sich ein total lächerliches Bild. Glauben die wirklich, dass Kinder heutzutage, wo es Nintendo DS und Wii und all so was gibt, noch irgendeinen Kick aus solchen Marionettentheatern ziehen? Ha! Noch nicht mal ich finde das cool, und verglichen mit diesen kleinen Hosenscheißern bin ich uralt!
Aber irgendwie sind die Kinder doch fasziniert. Atemlos sitzen sie da und verfolgen die Geschichte. Bisher konnte ich mir nur zusammenreimen, dass es anscheinend um einen Fuchs geht und um noch etwas anderes, bei dem es sich, dem Aussehen nach zu urteilen, entweder um einen Engel oder ein Schaf handelt. Komisch. Ich scheine dieses Märchen wohl nicht zu kennen.
Das Lachen, das ich höre, gilt jedoch gar nicht dem Puppentheater. Als ich es zum zweiten Mal wahrnehme, drehe ich den Kopf ruckartig nach links und erwische einen Typen dabei, wie er unverhohlen mich anstarrt und sich dabei totlacht.
Ich schneide ihm eine Grimasse. Ertappt schlägt er sich die Hand vor den Mund, schaut aber nicht weg. Er verhält sich gerade so, als müsste ich mit ihm gemeinsam lachen, über dieselbe komische Situation oder denselben Witz. Aber was denn bloß? Ein kurzer Check von oben bis unten ergibt, dass er gar nicht mal so schlecht aussieht, jedenfalls nicht wirklich, aber er ist ganz furchtbar angezogen, so wie es nur Franzosen hinkriegen. Einfach völlig gegen jeglichen normalen Geschmack!
Dieser Typ, der über mich lacht, trägt Chinohosen von der Sorte, wie mein Dad sie vielleicht in den frühen Neunzigern getragen haben mag, damals, als er noch meiner Mom den Hof gemacht hat und als sie irgendwo auf Kosten seines Spesenkontos Golf gespielt haben. Vor Urzeiten war die Hose wahrscheinlich sogar mal Markenware, aber sie hat vorne Falten und ist zu kurz. Er scheint auch auf Sportkleidung im amerikanischen Stil zu stehen, denn er trägt sehr unpariserhafte Turnschuhe und ein hässliches blaues Baseball-Käppi. Baseball-Käppis. Igitt. Schauderhaft.
Nach weiteren zehn Minuten, gerade als die völlig sinnfreie Puppentheaterhandlung ihren dramatischen Höhepunkt zu erreichen scheint, geht der Typ etwas abseits und macht mir Zeichen, dass ich zu ihm kommen soll. Anscheinend will er mit mir reden. Genervt schüttle ich den Kopf. Was sucht der eigentlich hier beim Puppentheater? Er hat überhaupt keine Kinder dabei. Was für ein Perversling.
Ich kann spüren, dass er noch immer dort steht, auch wenn ich extra nicht zu ihm hinüberschaue. Was will der Kerl? Und wieso lacht er über mich? Verstohlen werfe ich ihm einen Blick zu.
Trotz der Hose und des Käppis ist der Typ irgendwie ganz süß. Er ist nicht groß, aber auch nicht klein. Er sieht so aus, als komme er mit sich klar, etwas, das mir bei Männern gefällt. Ich stehe nicht so auf diese superdünnen Typen, bei denen man das Gefühl hat, man kann sie total leicht umpusten. Ich mag es, wenn Männer stark aussehen. Dieser Typ hat blonde Haare, blaue Augen und trägt eine Baseball-Kappe. Ob er Amerikaner ist, wie ich? Vielleicht lacht er ja bloß darüber, dass ich Amerikanerin bin und die Kinder nicht. Der Gedanke fasziniert mich.
Ich gehe langsam zu ihm rüber, Charles noch immer in den Armen.
»Comment puis-je vous aider? «, frage ich ihn trocken. Diesen Satz beherrsche ich aus dem Effeff, weil das die Verkäuferinnen in Paris immer fragen, wenn man sich eine Weile im Laden umgesehen hat:
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