Beautiful Americans 03 - Leben á la carte
Stufen hinaufzubugsieren. Als wir reinkommen, sehe ich zu meiner großen Erleichterung, dass Mme Sanxay schon da ist. Sie sitzt auf der Couch, die Schuhe ausgezogen, und liest in einer Ausgabe dieser schlechten, billigen Zeitschrift Femme Actuelle.
»Oh, c'est bien. Sie sind da!«, sage ich zu ihr, während ich hineinsause und den Kinderwagen mitsamt den Kids zu ihr hinüberschiebe. »Ich muss weg. Ich werde dringend woanders gebraucht!« Damit knalle ich auch schon die Tür hinter mir zu und renne den ganzen Weg bis zum Apartment meiner Gastfamilie. Während ich schnell die Stufen zur Wohnung hinaufhaste, schreibe ich Jay eine SMS, dass ich da bin.
Kannst kommen!!!
Ok, sind schon auf dem Weg, spuckt mein Handy mir nur zwei Sekunden später aus.
Was soll denn dieser Plural? Was geht hier bloß vor sich?
Ich hänge meinen Mantel auf und werfe meiner Gastmutter, die mit einem Glas Rotwein vor den Abendnachrichten sitzt, ein kurzes Hallo zu.
Keine zwei Minuten nachdem ich Jays SMS bekommen habe, klingelt es schon an der Tür. »Das ist für mich!«, rufe ich und sause blitzschnell zur Gegensprechanlage. »Es kommen ein, zwei Freunde zu Besuch, okay?«
»Okay, Alex«, sagt Marithe. »Soll ich euch ein bisschen Saft bringen? Und Cracker?«
Ich will vor allem, dass sie in der Küche verschwindet, damit ich Jay heimlich in mein Zimmer bringen und dort vertraulich mit ihm reden kann. »Klar, gern«, sage ich also und reiße die Tür auf, als ich Schritte auf der Treppe im Hausflur höre.
Sofort stürzt Jay herein und hinter ihm, in schwarzen Trainingsklamotten, die an ihr schlottern, in denen sie aber trotzdem so schön aussieht wie ein Model in irgendeiner Fashion-Week-Show im Carrousel du Louvre, kommt - ich traue meinen Augen nicht -
Miss Penelope.
Jane.
Fletcher.
Leibhaftig. Wiederauferstanden von den Toten.
»Der Rucksack«, sage ich leise mit stockender Stimme. Eine verrückte Sekunde lang habe ich fast das Gefühl, als müsste ich gleich losheulen. »Ich wusste, dass es nicht dein Rucksack war«, sage ich schließlich.
PJ zittert. »Nein, war es auch nicht«, entgegnet sie, ebenfalls leise. »Mein Rucksack ist noch bei den Marquets. Keine Ahnung, ob ich den wohl jemals wiedersehe ... Er hat nämlich meinem Dad gehört.«
Jay legt einen Finger an seine Lippen und schaut uns mit aufgerissenen Augen an, um seiner Geste Nachdruck zu verleihen. »Alex, lass uns in dein Zimmer gehen.« Jay scheucht uns durch den Flur in mein Zimmer, bevor Marithe zurück ins Wohnzimmer kommen kann. »Sind deine Gasteltern zu Hause?«
»Ja«, sage ich, ohne den Blick von PJ abzuwenden, die vorsichtig auf meinem ungemachten Bett Platz nimmt. Ihre blonden Haare leuchten wie ein Heiligenschein. »Ist das hier streng geheim? Sie sind nur ein Stück den Flur runter. Oh mein Gott!«
»Okay, du musst uns unbedingt versprechen, dass du ihnen nicht sagst, dass PJ hier ist.«
»Dass PJ hier ist«, wiederhole ich. Irgendwie bekomme ich nicht mehr ganz auf die Reihe, was hier eigentlich passiert. »Träume ich gerade?«
PJ wirft mir ein gequältes Lächeln zu. »Hi, Alex. Lange nicht gesehen.«
Aus unerfindlichen Gründen bringe ich meinen Mund nicht dazu, irgendwelche Worte zu formen. Ich öffne ihn, dann klappe ich ihn wieder zu, dann öffne ich ihn wieder. Ich muss mich an meine offene Schranktür lehnen, um nicht umzukippen.
»Das ist alles so merkwürdig«, sage ich zu guter Letzt. »Jay? Was geht hier vor?«
Jay setzt sich neben PJ, und sofort werde ich unsanft in die Wirklichkeit zurückgerissen. Kalte Eifersucht ergreift von mir Besitz, als ich seine beschützende Hand auf ihrem Knie sehe. »PJ ist nach Paris zurückgekehrt«, antwortet er.
Ich schüttle den Kopf, um wieder klar denken zu können. »Das ... sehe ich.« Plötzlich melden sich auch meine Manieren wieder zurück, mit einer leichten Verzögerung, und mich überfluten Erleichterung und auch eine ziemliche Portion echten Glücksgefühls.
Ich husche zu PJ hinüber und umarme sie herzlich, wobei ich feststelle, wie erschreckend dünn sie ist und wie seidig sich ihre Haare anfühlen. »Oh Gott, was ist passiert? Ist alles in Ordnung mit dir?«
Ich bin PJ so nahe, dass ich hören kann, wie schwer es für sie ist, zu schlucken und die Worte herauszubringen. »Ich bin okay, Alex«, sagt sie.
Ich richte mich auf und lasse sie los.
»Alex, außer mir weiß keiner, dass PJ wieder da ist«, erzählt Jay und schaut mir dabei direkt in die Augen.
»Wie lange bist du
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