Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Beautiful Americans 03 - Leben á la carte

Beautiful Americans 03 - Leben á la carte

Titel: Beautiful Americans 03 - Leben á la carte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Silag
Vom Netzwerk:
schon wieder da?«, frage ich. »Wo wohnst du?«
    »Sie wohnt bei mir, seit Samstagabend«, antwortet Jay an PJs Stelle. »Ich kümmere mich um sie.«
    »Und deine Gasteltern wissen wirklich nichts davon?«
    »Nein«, antwortet Jay. »Du darfst es auch niemandem erzählen, aber meine Gasteltern und Gastgeschwister sind für eine Weile nach Casablanca geflogen. Der Vater meines Gastvaters ist krank. Sie dachten, dass er im Sterben liegt, deshalb mussten sie sofort nach Marokko. Aber das ist gut so, denn als PJ ankam, war niemand außer mir in der Wohnung.«
    »Du wohnst also dort? In Jays Wohnung?«, frage ich PJ. Das Hochgefühl, dass PJ noch lebt, lässt schlagartig nach, als ich mir vorstelle, wie sie in ihrem kleinen Liebesnest am Rande von Paris zusammenleben.
    »Ja«, sagt PJ und räuspert sich. »Ich übernachte, ähm, im Zimmer von Jays Gastschwester.«
    Das macht es ein kleines bisschen besser, wenn auch nicht viel.
    »Meine Gasteltern kommen bald wieder zurück, und dann kann PJ dort nicht mehr wohnen.«
    Ich nicke.
    »Wir sind hergekommen, weil wir deine Hilfe brauchen«, erklärt Jay.
    PJ blickt weg. Ob sie überhaupt herkommen wollte? Sie sieht so aus, als fühle sie sich nicht besonders wohl in ihrer Haut. Mit einem Fingernagel fummelt sie geistesabwesend an meinem roten Bettbezug herum.
    Sosehr ich akzeptiert habe, dass ich Jay nie werde haben können, so kann ich doch nicht behaupten, dass es nicht wehtut zu sehen, wie Jay mitten in meinem Zimmer geradezu vor leidenschaftlicher Liebe zu PJ zerfließt. Gleichzeitig fühlt es sich, wenn ich PJ ansehe, wieder so an, als würde ich hoch oben von einem Wolkenkratzer in den tiefen Abgrund, ins Bodenlose stürzen. Wie weit und wie lange wir gereist sind, um sie zu finden! Und dann wurde uns bei unserer Heimkehr gesagt, dass sie tot sei.
    »Es war schrecklich«, erzähle ich ihr plötzlich. »Ich träume dauernd nachts von dir. Das geht nicht nur mir so. Wo warst du?« Irgendwo tief in mir drinnen, in meiner Brust, spüre ich eine mächtige Wut aufbranden, wie eine nahende Flutwelle.
    Ja, zuerst hatte ich PJs Flucht nicht ernst genommen, mich sogar darüber lustig gemacht. Aber als ich dachte, dass sie in einen gefrorenen Fluss gesprungen sei, bin ich eine Woche lang nachts schreiend aus Albträumen erwacht. Dann ist Marithe zu mir ins Zimmer gekommen und hat mich in den Schlaf gewiegt, ohne am helllichten Tag jemals ein Wort darüber zu verlieren. Wenn ich über eine der Brücken der Seine gehe, kann ich noch immer nicht hinunter aufs Wasser blicken. Eine Zeit lang wusste ich nicht, ob ich je damit fertigwerden würde. Alle aus unserem Programm haben gelitten und sich Sorgen um sie gemacht, sich gefragt, wann man wohl ihre Leiche finden würde. Wenn PJ nicht gerade eben wiederauferstanden wäre, hätte ich sie jetzt am liebsten umgebracht, weil wir ihretwegen so eine schmerzliche Zeit durchgemacht haben.
    »Ich musste ... mich um ein paar Dinge kümmern«, antwortet PJ mir.
    »Wegen deiner Schwester?«, frage ich sie, ohne den Blick von ihren großen blauen Augen abzuwenden.
    »Woher weißt du von meiner Schwester?«
    »Das wissen alle, PJ«, entgegne ich. »Hast du denn keine der Zeitungen gesehen? Die Bullen haben zwei Rucksäcke gefunden, einen Doppel-Selbstmord-Abschiedsbrief und eine Ausgabe von Madame Bovary mit Notizen darin und dem Namen Annabel Fletcher. Ganz Paris geht davon aus, dass du tot bist. Tag für Tag belagert eine ganze Schar Reporter das Lycée. Wie kommt es, dass du nichts davon mitgekriegt hast? Du bist das Gesprächsthema Nummer eins.«
    »Wirklich?«, sagt PJ erstickt. Sie schaut zu Jay und nimmt seine Hand. »Stimmt das?«
    Jay nickt.
    »Du hast nichts von dem ganzen Presserummel mitbekommen, PJ?«, frage ich. »Sie haben uns nach dir ausgefragt, nach deiner Schwester Annabel, deinen Eltern ...«
    Jay wirft mir einen warnenden Blick zu. Ich beschließe, nicht weiter darauf herumzureiten, auch wenn ich vor Neugier schier platze, ich muss unbedingt erfahren, was los war. In den französischen Zeitungen schreiben sie, dass PJ die Tochter von Drogendealern sei, die eine Drogenroute von Kanada nach New York betrieben haben! Mit dem ganzen Ärger, den ich in der letzten Zeit am Hals hatte, will ich nicht in irgendwelche dubiosen Geschichten reingezogen werden. Das kann ich mir gerade echt nicht leisten.
    »Hör mal, PJ«, sage ich zitternd und richte mich wieder auf. Ich lege meine Hand auf die Türklinke. Ich werde sie jetzt sofort

Weitere Kostenlose Bücher