Beautiful Americans 03 - Leben á la carte
die ich in den letzten Wochen in mir gespürt habe, verflüchtigt sich fast, als mir klar wird, wie herrlich es ist, dass PJ wieder in Paris ist und sich sicher und wohlbehalten in meiner Obhut befindet.
Dieser egoistische und schreckliche Gedanke schleicht sich wieder und wieder in meinen Kopf, während wir die Straße entlanggehen und nach einem Platz suchen, an dem PJ eine Tasse Kaffee trinken und entspannen kann. Jetzt muss ich nicht mehr allein sein.
8 • ZACK
Ist nicht alles so, wie es sein soll?
»Es heißt Nouveau und liegt direkt neben dem Pub auf der Rue Oberkampf, dort, wo immer Millionen Leute davorstehen.« André wartet darauf, dass ich am anderen Ende der Leitung signalisiere, dass ich weiß, was er meint. Es ist Samstag und ungefähr neun Uhr abends. Ich sehe durch das Fenster auf den Platzregen hinaus, der auf die Straße prasselt, in der meine Gastfamilie im östlichen Bereich des 15. Arrondissements lebt. Es wird nicht lange dauern, bis der kleine Park in der Nähe des Mietshauses komplett unter Wasser steht.
»Ich glaube, ich weiß, wo das ist«, lüge ich und denke insgeheim, dass ich einfach auf meinem Laptop bei Google Maps nachschauen werde, ehe ich losgehe. Ich bin noch nie in der Rue Oberkampf gewesen, einem trendigen, aber etwas tafferen Viertel genau auf der gegenüberliegenden Seite von meiner Wohngegend. »Aber ja, es klingt fantastisch. Welche Uhrzeit?«
»Lass mal sehen ... Wäre Mitternacht okay?«
»Klar«, sage ich und schlucke. »Olivia kommt doch auch mit zum Klub, oder?« Der Gedanke, so spät noch unterwegs zu sein, nur André und ich, macht mich nervös.
»Ja, hab gerade eben mit ihr telefoniert.« André lacht. »Ich habe ihr versprochen, dass sie nicht das fünfte Rad am Wagen sein wird. Diesmal müssen wir sie mehr einbeziehen.« André kichert. »Also, zumindest bei ein paar Dingen. Gesprächen, Witzen und so.«
Allein in meinem Zimmer unterdrücke ich ein glückliches Lachen. Mein Gesicht glüht, so aufgeregt bin ich.
»Bis gleich im Nouveau«, sage ich und beende das Gespräch. Dann gehe ich zu meinen Gasteltern Jacques und Romy, um ihnen zu erzählen, dass ich heute bei Jay in Montreuil übernachte. Romy lächelt unbekümmert.
»Viel Spaß«, sagt sie. »Prends ton imperméable.«
»Bonne nuit!« Ich kann meine Freude nicht verbergen, als ich mit meinem Regenmantel in der Hand nach Ternes aufbreche, um Olivia abzuholen und mit ihr schon einen Drink zu nehmen, ehe André zu uns stößt.
* * *
Das Nouveau liegt am Rand des 11. Arrondissements - eine lange Metro-Fahrt von Ternes entfernt. Als ich neben Olivia in der Metro sitze, trommle ich nervös mit dem Fuß auf den Boden. »Glaubst du, wir sind zu früh da? Es ist erst elf.«
»Ich hab das hier mitgebracht.« Sie zieht eine Aluminium- Trinkflasche aus ihrer Tasche - die Sorte, wie sie Leute auf langen Wanderungen in ihren Rucksäcken bei sich tragen. Darauf klebt ein Aufkleber mit dem Umriss einer Ballerina. Als Olivia den Verschluss aufdreht, rieche ich Wodka. »Magst du?«
»Du kannst ja echt Gedanken lesen«, sage ich dankbar und nehme ihr die Flasche aus der Hand. Das sieht Olivia gar nicht ähnlich - was für ein außergewöhnlicher Fortschritt! Gierig kippe ich mehrere Schlucke hinunter und schraube dann schnell die Flasche wieder zu, noch ehe jemand den Geruch bemerken kann.
»Nicht so hastig«, kichert Olivia und genehmigt sich selbst auch einen Schluck. »Oh, das ist krass.« Sie hüpft auf ihrem Sitz auf und ab, während unsere Körper den Alkohol aufnehmen. »Kann's kaum erwarten, heute Abend zu tanzen!«
Etwas vibriert an meiner Hüfte und ich sehe nach, ob ich eine SMS bekommen habe. »Guck mal!«, sage ich zu Olivia. »Der Typ, den ich in Amsterdam kennengelernt habe.«
Olivia liest die SMS über meine Schulter hinweg. Die SMS stammt von Bobby. Kann's nicht erwarten, Dich in Paris zu sehen, Zack.
Eine Sekunde lang habe ich leise Gewissensbisse: Bobby würde mir wahrscheinlich keine so begeisterte SMS schreiben, wenn er wüsste, dass ich gerade auf dem Weg zu einem Klub bin, um dort einen anderen Mann zu treffen. Aber kurz darauf sind alle meine Zweifel wieder wie weggeblasen und ich spüre ein Gefühl leichten Schwindels.
»Ist das der Typ, der dich besuchen will?«, fragt Olivia. Sie sieht mich kritisch an.
Ich nicke lässig, ohne auf ihre Frage einzugehen, und wechsle schnell das Thema. »Ja. Wann trittst du eigentlich mal wieder beim Underground auf?«
Olivia zieht die
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