Beautiful Americans 03 - Leben á la carte
soll.«
»Echt?«, fragt Zack, macht sich zischend eine Dose Cola auf und trinkt einen Schluck von dem schäumenden Getränk. »Wie kommt's?«
»Ich habe Vince das erste Schulhalbjahr über so vermisst, dass ich irgendwie gar nicht richtig gemerkt habe, wie sehr ich mich verändert hatte«, erkläre ich. Ich beobachte, wie ein Parkmitarbeiter ein paar Kleinkinder auf ältere Ponys setzt, die anschließend im Kreis herumgehen. Die Eltern gehen dicht hinter den Ponys her, allzeit bereit, ihre Kinder aufzufangen, sollten sie herunterfallen. »Ich meine, ich habe mir ja nicht mal ein Handy besorgt, bis Madame Rouille mich dazu gedrängt hat, nach dem ganzen Drama mit unserer Fahrt nach Cannes und Perigueux. Ich habe jede Menge Zeit in Telefonzellen verbracht und versucht, Vince zu erreichen, damit wir im Kontakt bleiben! Als ich ihn dann plötzlich leibhaftig vor mir gesehen habe, wusste ich irgendwie sofort, dass es von meiner Seite aus war.«
»Gleich, als du ihn gesehen hast?«, fragt Zack. »Also, als hättest du dich sozusagen auf den ersten Blick ent-liebt?«
»Genau.« Ich nicke. »Natürlich hat es noch eine Weile gedauert, bis ich ihn und das, was wir miteinander hatten, ganz loslassen konnte. Aber ich wusste, dass irgendwas nicht stimmt, als ich gleich so sonderbar auf ihn reagiert habe. Das war der Anfang vom Ende.« Ich esse meine Quiche auf und suche dann in meinem Rucksack nach einem Taschentuch, um mir die Hände abzuwischen. Die Quiche war so buttrig, dass ich bestimmt überall Fettflecken hinterlasse, wenn ich jetzt irgendetwas anfasse. Als ich ein Papiertuch gefunden habe, wische ich mir jeden Finger einzeln ab und dann meinen Mund. Zack braucht länger mit seiner Quiche, er genießt jeden Bissen und macht seine Hände weniger fettig als ich.
In den Pariser Parks soll man sich eigentlich nicht direkt ins Gras setzen, damit es schön grün und frisch bleibt, so wie jetzt, wenn es in den ersten schönen Frühlingstagen zu wachsen beginnt. Die meisten Pariser halten sich allerdings nicht daran, und an so sonnigen Tagen wie heute kriechen alle Familien aus ihren Löchern. Mir entgeht nicht, dass die Pariser Kinder so viel eleganter gekleidet sind als die amerikanischen, mit Mini- Trenchcoats und Pullundern mit V-Ausschnitt. Sie sind total süß, wie sie sich im grünen Gras kugeln. Als Brian in dem Alter war, saß er immer stundenlang in der Sonne und beobachtete, wie sich die Grashalme im Wind wiegen. Schweigend betrachten Zack und ich das Schauspiel ein paar Minuten, ehe er antwortet.
»Aber wenn Thomas nicht gewesen wäre, vielleicht hättest du das dann gar nicht gefühlt«, meint Zack. Es schnürt mir fast die Kehle zu, als er das so direkt und klar ausspricht, aber er hat recht.
»Wahrscheinlich nicht, nein. Ich hätte das nicht so gespürt«, sage ich. »Aber Thomas war nur ein Katalysator. Vince und ich waren nicht die Richtigen füreinander. Wir haben uns auseinandergelebt.«
»Woher weißt du das?«, will Zack wissen. Er spricht plötzlich ernster und leiser, so als suche er eine Bestätigung seiner Gedanken.
»Alex würde sagen, Liebe ist entweder schwarz oder weiß«, entgegne ich.
Zack rollt mit den Augen und rückt mit leicht überheblicher Miene seine Brille zurecht. »Alex würde wohl eher sagen, die Liebe ist wie ein Kampf. Dem Sieger gebührt alles.«
»Was ich meine ist, dass man auf Anhieb weiß, ob es den Funken noch gibt oder nicht oder ob es ihn jemals gab. Aber dem stimme ich eben nicht zu. Man muss dem Ganzen etwas Zeit lassen. Liebe wächst oder blüht auf oder sie verwelkt. Glaubst du nicht?«
Ich warte darauf, dass Zack sich dazu äußert, aber er bleibt stumm. Er wischt sich nur unsichtbare Krümel von seiner perfekt gebügelten Jeans und steht dann auf, um sich auf den Rückweg zur Schule zu machen.
Am Parkeingang sehen wir eine große Jungstruppe aus dem Lycée herumstehen und Sandwiches essen: George, Drew, Robbie aus Orlando und zwei weitere Jungs, mit denen sie gern was unternehmen: Kyle und Nathan. Kyle geht seit Kurzem mit Anouk aus, Sara-Louises Gastschwester, und Nathan steht angeblich auf Sara-Louise. »Hey, Jungs!«, rufe ich ihnen lächelnd zu. »Schöner Tag, n'est-ce pas?«
Drew zuckt mit den Schultern. Als ich den großen und schlaksigen Drew das erste Mal gesehen habe, war ich mir sicher, er käme aus Kalifornien, wie ich. Genau wie jetzt trägt er nämlich immer T-Shirts und Jacken mit lauter Surfer-Schriftzügen, und wenn er keine Flip-Flops
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