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Beautiful Losers

Beautiful Losers

Titel: Beautiful Losers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonard Cohen
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her, dass in Boston die ersten Fälle von Syphilis bekannt wurden. Friedrich Wilhelm war der Große Kurfürst. Laut einer Verordnung von 1668 sollten Mönche des Ordens der Minoriten nicht exkommuniziert werden, »wenn sie wohlweislich die Kutte abgelegt haben … bevor sie sich den Versuchungen des Fleisches ergeben«. Corelli, ein Wegbereiter von Alessandro, Scarlatti, Händel, Couperin und J.S. Bach spielte 1675 die dritte Violine im Kirchenorchester St. Louis von Frankreich, das sich in ebenjenem Jahr in Rom aufhielt. Und so schwand der Mond des siebzehnten Jahrhunderts in sein letztes Viertel. Im folgenden Jahrhundert sollten sechzig Millionen Europäer an Pocken sterben. F. hat immer gesagt: Stell dir die Welt ohne Bach vor. Die Hethiter ohne Christus. Wenn du in etwas, das uns fremd ist, die Wahrheit finden willst, musst du zuerst das in deiner Betrachtungsweise umstoßen, was eigentlich unumstößlich ist. Danke, F. Danke, mein Geliebter. Lieber Freund, wann werde ich lernen, die Welt nicht mit deinen Augen zu sehen? O Tod, wir sind die Engel deines Hofstaats, die Krankenhäuser sind deine Kirche! Meine Freunde sind gestorben. Bekannte sind gestorben. O Tod, warum spielst du jede Nacht Gespensterspiele? Ich habe Angst. Irgendetwas stört eben immer: Wenn ich keine Verstopfung habe, dann habe ich Angst. O Tod, bitte heile noch einmal meine Wunden, die das Feuerwerk hinterlassen hat. Die Bäume, die F.s Baumhaus (wo ich dies schreibe) umstehen, wirken finster. Ich rieche die Äpfel nicht. O Tod, warum handelst du so oft, und warum sprichst du so selten? Die Kokons sind weich und unheimlich. Ich fürchte mich vor Raupen, die den Schmetterlingshimmel in sich tragen. Ist Catherine eine Himmelsblume? Ist F. eine Orchidee? Ist Edith ein trockener Grashalm? Jagt der Tod in Spinngeweben? Hat der Tod etwas mit Schmerz zu tun? Oder ist der Schmerz für die Gegenseite tätig? O F., wie ich dieses Baumhaus geliebt habe, als du es mir und Edith für die Flitterwochen überlassen hast!

37.
    Die Hütten von Kahnawaké waren leer. In den nahen Feldern wimmelte es von arbeitenden Menschen, von Männern und Frauen mit Händen voller Saatgut. Es war das Frühjahr des Jahres 1675, der Mais wurde ausgesät.
    – Juh, juh, ging das Lied der Maispflanzer, ihre Stimmen überschlugen sich.
    Catherines Onkel ballte die Faust um das gelbe Häufchen in seiner Hand. Er spürte die Kraft der Saat, ihr Verlangen, aus der Erde, die sie bedecken würde, hervorzubrechen. Es war, als würden sie seine Finger auseinanderdrücken. Er bildete eine Art Ausguss, drehte die Hand und ließ ein einziges Korn in ein Loch fallen.
    – Ah, dachte er, nicht anders fiel unsere Ahnin vom Himmel und landete in einer vorzeitlichen Wasserwüste. Manche vertreten die Ansicht, dass sie dabei von einigen amphibischen Tieren beobachtet wurde, etwa vom Otter, vom Biber und von der Bisamratte, die eilig Schlamm vom Meeresgrund heraufbrachten und anhäuften, um ihren Sturz zu bremsen.
    Plötzlich erstarrte er. Im Innersten des Herzens spürte er, dass Pater Jacques de Lamberville angekommen war. Ja, er spürte die Anwesenheit dieses Mannes, der in diesem Moment durch das über eine Meile entfernte Dorf ging. Catherines Onkel sandte einen Schatten aus, um den Priester zu begrüßen.
    Vor der Hütte der Tekakwitha machte Pater Jacques de Lamberville halt. Sie sind wohl alle auf den Feldern, dachte er, es bringt überhaupt nichts, laut um Einlass zu bitten.
    – La-ha, la-ha, plätscherte eine schlanke, lachende Stimme nach draußen.
    Der Priester wandte sich um und schritt auf die Tür zu. Der Schatten stellte sich ihm entgegen, sie rangen miteinander. Der Schatten war nackt, es war ihm ein Leichtes, seinen Gegner mit der schweren Kutte zu Fall zu bringen. Der Schatten warf sich auf den Priester, der Mühe hatte, sich aus den Falten seines eigenen Gewands zu befreien. Der Schatten war so ungestüm, dass er sich ebenfalls verhedderte. Sofort erkannte der Priester seinen Vorteil. Er blieb reglos liegen, während der Schatten im Gefängnis einer glücklich angebrachten Tasche erstickte. Der Pater kam auf die Beine und stieß die Tür auf.
    – Catherine!
    – Endlich!
    – Was tust du denn hier drinnen, Catherine? Deine ganze Familie ist auf dem Feld, um den Mais zu pflanzen.
    – Ich habe mir den Zeh gestoßen.
    – Zeig mal.
    – Nein. Es darf ruhig noch ein bisschen wehtun.
    – Wie lieb du das sagst, mein Kind.
    – Ich bin neunzehn. Alle hier hassen mich, was mir

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