Beautiful Losers
seht euch den armen Fisch an, der darauf wartet, dass sie sich zurückbildet.
Meine Klassenkameraden, deren Hosen wie Fesseln an den Knöcheln hingen, wühlten noch unbeholfen in den Untiefen ihrer ausgeleierten Unterwäsche, als sie stolpernd und schlurfend heraustraten. Einige hatten ihre Masturbation unterbrochen, anderen waren die Comichefte von den Kniescheiben gerutscht. Romantische, in den Lack der Tür geritzte Botschaften blieben halb entziffert. Die Jungen bildeten einen Kreis um uns, drängten heran, um die Monstrosität zu sehen, die F. angeschleppt hatte. F. riss meinen Arm hoch, als hätte ich gerade einen Boxkampf gewonnen, ich baumelte an seinem festen Griff, mein ganzer Körper schien schrumpelig und trocken wie ein Bund Tabak, der von einem kleinwüchsigen Gehilfen bei Liggett & Myers versteigert wird.
– Bitte, F., demütige mich nicht, flehte ich ihn an.
– Treten Sie näher, meine Damen und Herren. Sehen Sie sich diesen Wartenden an. Sehen Sie sich diesen Mann an, der tausend Jahre Zeit hat und warten kann.
Ungläubig schüttelten sie die dicht gedrängten Köpfe.
– Wie kann man sich so was entgehen lassen?, rief einer.
– Ha ha ha.
F. riss meinen Arm herunter, ohne den Griff zu lockern, ich stürzte und lag geduckt vor seinen Füßen. Er senkte den Absatz seiner gespendeten Schuhe auf meinen Daumen und gab ihm gerade so viel Gewicht, dass an Flucht nicht mehr zu denken war.
– Unter meinem Fuß befindet sich die Hand, die dereinst den Warzen Auf Wiedersehen winken wird.
– Hö hö.
– Nicht schlecht.
O mein Leser, darf ich Sie erinnern, dass hier ein erwachsener Mann schreibt? Ein Erwachsener wie Sie, der von Heldenmut träumte. Hier schreibt ein Mann in arktischer Einsamkeit, ein Mann, der nichts vergessen kann und seine Erinnerungen hasst, der einst so stolz war wie Sie, der die Gesellschaft liebte, wie nur Waisen es können, der sie liebte wie ein Kundschafter im Land, wo Milch und Honig fließen. Es schreibt diese gewagte Passage ein erwachsener Mann nieder, der einmal von Führerschaft träumte, von Dankbarkeit. Vielleicht verstehen Sie mich. Nein, nein, bitte nicht, jetzt nicht die Krämpfe. Nehmt mir diese Krämpfe, ihr Götter und Göttinnen des Reinen Geschehens, und ich schwöre, ich werde mich nie wieder unterbrechen.
– Hö hö.
– Unbezahlbar.
Der Vorfall ereignet sich am frühen Morgen. Das Sonnenlicht dringt kaum durch die vergitterten Milchglasfenster. Nur im Winter dürfen wir im Waschsaal das Licht an machen. Schmutziges Aquariumlicht, das eigentlich hell leuchten sollte, schummert nur wie ein Halbdollarstück, das in einem Glas Vaseline versteckt ist. An jedem der weißen Waschbecken, auf jeder gestachelten (damit man nicht drüberklettern konnte) Trennwand stand ein solches Gläschen Vaseline, und deshalb strahlte nichts so sehr wie die nackten Kniespitzen der versammelten Spötter, nur die elendsweißen, schon leicht behaarten Schienbeine der älteren, bereits in feuchten Träumen schwelgenden Jungen glänzten heller. Mit einem hörbar tiefen Atemzug brachte F. die höhnische Versammlung zum Schweigen. Ich suchte seinen Blick, um ihn zu erweichen. Dann lag ich still auf den vaselinefarbenen Marmorfliesen und erwartete meine Strafe. Er begann in gewissermaßen getragenem Ton, doch mir war klar, dass eine große, wüste Schimpftirade folgen würde.
– Es gibt Menschen, die glauben, dass sich Warzen einfach zurückbilden. Es gibt Menschen, die es für möglich halten, dass Warzen nach längerer Zeit von selbst verschwinden. Andere beschäftigen sich eher ungern mit Warzen. Wieder andere leugnen die Existenz von Warzen. Es gibt auch Menschen, die Warzen für schön halten und sie dementsprechend befördern, ganz egal an welcher Stelle. Andere sind der Meinung, dass Warzen nützlich sind, dass sie für Bildung empfänglich sind, dass man ihnen Sprache beibringen kann. Es gibt Fachleute, die sich mit nichts anderem beschäftigen. Man debattiert über die besten Verfahren. Anfangs waren die Methoden brutal. Eine Schule vertrat die Idee, dass man Warzen zu nichts zwingen sollte. Ein radikaler Flügel glaubt, dass die Warze nur solche Sprachen erlernen kann, die der sinotischen Sprachfamilie zugehören. Eine extremistische Randgruppe hält es für unvertretbar, einer Warze die menschliche Sprache aufzuzwingen, schließlich besäßen sie eine eigene Warzensprache, die sich die Lehrenden erst einmal aneignen müssten. Hier und da beharren sogar einzelne, als
Weitere Kostenlose Bücher