Beautiful Losers
mir auf, dass sie beim »Toasten« und beim Aufziehen der Spritze extrem ritualistisch vorgingen.
– Was seid ihr denn so feierlich?
– Nichts, nur so.
Edith sprang geradezu herbei und drückte mich fest an sich, F. gesellte sich bald dazu, ich fand mich in einem Lingerietraum wieder, einem Werbeposter in einer Flughafenhalle, unter dem sich Kamikazepiloten verabschieden.
– Runter mit euch. Ihr braucht euch nicht so einzuschleimen. Ich bin nicht so empfindlich.
– Auf Wiedersehen, mein Liebling.
– Auf Wiedersehen, alter Freund.
– Jetzt macht schon, haut ab, ihr verkommenen Trottel, fliegt weg in euer Paradies, das auf wackligen Stelzen steht.
– Auf Wiedersehen, wiederholte Edith traurig, spätestens da hätte ich merken sollen, dass dieser Sonntagabend nicht wie jeder andere war.
Sie massierten sich so lange die Venen, bis sie eine fanden, die noch Blut führte, sie stießen die Nadeln ins Fleisch, warteten auf die rote Wolke, den Hinweis, dass sie »getroffen« hatten, und drückten die Lösung in ihren Blutkreislauf. Mit einem Ruck zogen sie die Spritzen wieder heraus und sackten sofort auf dem Sofa zusammen. Nachdem sie einige Minuten völlig benommen dagelegen hatten, sagte Edith:
– Liebling?
– Was ist?
– Antworte nicht so schnell.
– Genau, sagte F. Tu uns den Gefallen.
– Ich kann es nicht mit ansehen, meine Frau und meinen Freund.
Ich war sauer, ging ins Schlafzimmer, schlug die Tür hinter mir zu. Wahrscheinlich haben sie mir beim Weggehen auf den verschwommenen Hintern geguckt. Einer der Gründe, warum ich mich verzogen hatte, war, dass ich immer einen Steifen kriegte, wenn ich sah, wie sie mit den Spritzen hantierten. Da ich mich gegen die Erektion entschieden hatte, als die Sonnencreme eingerieben wurde, sagte ich mir, dass es wohl einen sonderbaren Eindruck machen würde, wenn ich mir jetzt eine erlaubte. Außerdem wollte ich einen Blick in Ediths Schubladen werfen, wie jeden Sonntagabend, wenn sie in ihrer narkotischen Welt dämmerten, und diese unerlaubte Inspektion bereitete mir, da ich, wie diese Chronik bereits ausreichend dargelegt hat, ein äußerst freudloses Leben führe, das allergrößte Vergnügen. Aber an diesem Sonntag war alles anders. Am besten gefiel mir die Kosmetikschublade, sie war hell und duftete gut, und die kleinen Fläschchen fielen um, wenn ich sie herauszog, und ich entdeckte vielleicht ein einsames, weibliches Barthärchen an der Pinzette oder ihren Daumenabdruck auf einer ölverschmierten, barettartigen Badekappe – seltsamerweise gab mir diese Beweislage das Gefühl, ihrer Schönheit näherzukommen, ich war einer der tausend Pilger, die eine Reliquie, das in Formaldehyd liegende Organ einer Heiligen, verehren, der sie lebendig wohl kaum die Ehre erwiesen hätten. Ich hatte gerade den Knauf der Schublade in der Hand und freute mich schon auf das leise Klirren, als – Die Schublade war leer, es lagen nur ein paar Scherben darin, zwei billige Rosenkränze, einige Ampullen mit einer farblosen Flüssigkeit und ein paar Papierfetzen. Der Holzboden der Schublade war feucht. Vorsichtig zog ich einen der Zettel heraus, es war ein Gutschein. WIE ICH DICKE BEINE ZU HAUSE SCHLANKER MACHE. VERSAND IN NEUTRALEM UMSCHLAG …
Aber Ediths Beine waren doch wunderschön! Und hier ein weiterer Zettel:
Was hatte das nur zu bedeuten? Was wollte Edith mit diesen erbärmlichen Einladungen? Was ging vor sich auf der East 92 Street, Hausnummer 134? Gab es dort ein Schwimmbecken für Beinamputierte? In einer Ecke der Schublade fand ich den ersten, durchnässten Hinweis auf die Lösung. Ich sehe ihn noch vor mir. Ich habe ihn genau vor Augen, den Text kann ich auswendig: Perlen enthalten Wasser aus der Wunderquelle von Lourdes. Stellen Sie sich vor – Sie halten in Ihren Händen, Sie berühren mit Ihren Fingern, Sie SEHEN MIT EIGENEN AUGEN – das Wasser aus der Wunderquelle von Lourdes …
Ich rannte mit dem Zettel in der Hand aus dem Schlafzimmer. Edith und F. waren auf dem Sofa eingeschlafen, mit gebührlichem Abstand. Auf dem Tisch verstreut lagen die grausigen Instrumente ihrer Sucht, die Spritzen, die Pipetten, der Gürtel, und dazu – ein Dutzend leere Ampullen des Ewigen Lourdeswassers. Ich packte die beiden am Kragen und rüttelte sie wach.
– Wie lang geht das schon so?
Ich hielt ihnen die Anzeige unter die Nasen.
– Seit wann nehmt ihr das Zeug schon?
– Sag’s ihm, Edith, flüsterte F.
– Wir probieren es heute zum ersten Mal.
– Sag
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