Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Beautiful Losers

Beautiful Losers

Titel: Beautiful Losers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonard Cohen
Vom Netzwerk:
ihm alles, Edith.
    – Ja, alles, ich bestehe darauf.
    – Wir haben eine Mischung gemacht.
    – Wir haben zwei verschiedene Wassersorten vermischt.
    – Ich höre dir zu.
    – Also, etwas von dem Wasser kam aus den Lourdes-Ampullen und das andere –
    – Also?
    – Sag’s ihm, Edith.
    – Von der Quelle der Tekakwitha.
    – Heißt das, ihr seid keine Junkies mehr?
    – Willst du noch mehr wissen?, fragte F. matt.
    – Lass ihn doch, F. Komm, setz dich zwischen uns.
    – Ich habe keine Lust, splitternackt zwischen euch zu sitzen.
    – Wir gucken nicht hin.
    – Na gut.
    Ich zündete ein Streichholz an und testete ihre Augen. Ich täuschte mit der Führhand kurze Geraden an, und als ich mir sicher war, dass sie nichts sahen, setzte ich mich hin.
    – Und? Welche Wirkung hat es?
    – Das wissen wir nicht.
    – Sag ihm die Wahrheit, Edith.
    – Wir wissen es nicht.
    Und Edith tastete nach meiner Hand und erzählte mir die Geschichte von dem Festmahl, zu dem Catherine Tekak witha einst in Québec geladen war, als könnte die Anekdote etwas zur Klärung meiner Fragen beitragen. Während sie erzählte, nahm F. meine andere Hand. Ich glaube, dass wir beide weinten, denn ihre Stimme klang verschleimt. F. zitterte kaum merklich, wie jemand, der gerade einschläft. In dieser Nacht, in jenem Schlafzimmer, verwehrte mir Edith nichts, ich musste nicht einmal Signale an ihren Mund senden. Eine Woche später lag sie unter dem Aufzug, ein »Suizid«.

45.
    Ich friere mich zu Tode in diesem verdammten Baumhaus. Ich dachte, die Natur würde mir gut tun, besser als die kleine, ergussklebrige Kellerküche. Ich dachte, Vogelgezwitscher wär besser als Aufzuglärm. Sachkundige Leute, die Tonbandgeräte mit sich herumtragen, sagen, dass wir nicht eine Vogelstimme hören, sondern zehn oder zwölf Töne, die von einem einzigen Tier zusammengefügt werden, um viele verschiedene, wunderbar fließende Melodien zu schaffen. Man kann das beweisen, indem man das Tonband langsam abspielt. Ich verlange den staatlichen Gesundheitsdienst! Ich verlange, operiert zu werden! Ich will, dass man mir so einen langsamen Transistor ins Hirn näht. Ich will, dass sich die Wissenschaft mit ihren Ergebnissen aus meiner Zeitung fernhält. Der Sommer ist wie eine Halloween-Maske an uns vorübergeschwebt, jetzt kriegen wir wieder Tag für Tag nur kalte kanadische Landschaften. Und wer steckt mir mal ein Bonbon in die Tüte? Wo ist denn nun die Welt von Morgen, die man uns in Science-Fiction-Romanen versprochen hat? Ich verlange einen Klimawandel. Welcher Teufel hat mich eigentlich geritten, dass ich kein Radio mitgenommen habe? Drei Monate ohne Radio, ich summe Hits, die längst obsolet sind, meine Top Ten sind ausradiert aus der Geschichte, urplötzlich abgeschnitten von den dynamischen Preisentwicklungen der Jukebox-Börsen, nicht einmal Dreizehnjährige, die auf dem Teppich neben dem Hifi-Turm rumknutschen, können ihnen wieder Leben einhauchen, meine viel zu ernsten Top Ten stapfen im Gänsemarsch durch meinen Kopf wie eine Junta, wie Generäle, die von dem Staatsstreich nichts ahnen, der in der Nacht des offiziellen Balls über die Bühne gehen wird, meine lieben, alten Top Ten, die wie ein Bataillon von Straßenbahnschaffnern, die Ärmel goldbestickt, geduldig auf Ruhestand und Rente zusteuern, während in einem Sitzungsraum der Beschluss über die neue U-Bahn gefasst wird und die Straßenbahnen ins Museum gefahren werden, meine linkischen Top Ten des Kunsthalls und der schmachtend-pubertären Stimmen, die mir in den Herzgrund weinen wie eine Gruppe vor leeren Rängen radschlagender Cheerleader-Mädchen mit nackten Schenkeln und dünnen, ganz süß die Haut schnürenden BH -Trägern, mit glitzernder Unterwäsche, die jedes Mal unter den kurzen, umgestülpten Faltenröckchen hervorschaut, wenn sie auf ihren Freundschaftsfingern herumwirbeln und ihre heimspielenthusiastischen, seidenumflatterten, sportstudioknackigen kleinen Hurrah-rah-Hintern unbeschreiblich hübsche, blitzschnelle Regenbögen, rot-sanddorn-orange schillernde Streifen in die Luft zeichnen, wenn sie die runden, nach weißem Lippenstift duftenden Blechmundstücke ihrer Megaphone mit Alma-Mater-Rufen warmgejubelt haben, wem gelten dann diese feuchten Technicolor-Turnereien? Wem gelten die scharfmachenden Bögen rockloser Vorführhöschen, die durch die Begeisterung schimmern wie ein Haufen frischer, sachkundig aufgebrochener, samenpraller Feigen, denn birgt nicht jedes Versteck, jedes dunkle

Weitere Kostenlose Bücher