Beautiful Losers
entwirft, übel mitgespielt wird.
Die Queen von England war sehr einsam, als sie an jenem Oktobertag des Jahres 1964 mit ihrem Prince Philip durch die waffenstarrenden Straßen von Québec fuhr, einsamer vielleicht als der Baulöwe von Atlantis damals, als die große Flutwelle heranrollte. Selbst die Füße von Ozymandias im Sandsturm von ’89 hatten mehr Gesellschaft. Sie saßen aufgerichtet in ihrer gepanzerten Limousine wie zwei Kinder, die versuchen, die Untertitel eines Films zu lesen. Die Strecke war von gelb gekleideten Sondereinsatzkräften gesäumt und den Rücken einer feindlichen Menge. Was ihre Einsamkeit angeht, empfinde ich keine Schadenfreude. Was deine angeht, bin ich bemüht, sie dir nicht zu neiden. Schließlich war ich es, der dir einen Ort gezeigt hat, der mir selbst nun versperrt ist. Ich zeige immer noch darauf – mit meinem verlorengegangenen Daumen.
Barmherzigkeit!
Dein Lehrer zeigt dir, wie es geschieht .
Sie gehen anders, die jungen Leute von Montréal, die Männer wie die Frauen. Aus der Kanalisation dringt Musik. Sie ziehen sich anders an, sie hab en keine Taschentücher in die Hosentaschen gestopft, sie riechen nicht nach heimlich vergossenem Samen. Sie lassen die Schultern nicht hängen, ihre Organe zeigen sie fröhlich unter hauchdünner Wäsche. Die geilsten Frauen sind von den englischen Marmorbänken in die revolutionären Cafés umgezogen wie eine Schiffsladung glücklich planschender Ratten. Auf der Rue Ste. Catherine, der Schutzpatronin alter Jungfern, ist die Liebe überall. Das Volk ist aufgestanden und losmarschiert, die Geschichte hat ihm die Schuhe gebunden. Lass dich nicht täuschen: Der Stolz einer Nation ist fassbar, man misst ihn an den Dezibel der Frauen, die stöhnend die letzte Stufe zünden, an der Zahl der – nicht nur einsam geträumten – Erektionen.
Das erste weltliche Wunder: La Canadienne, bis dahin nichts als ein Opfer frostiger Motels, nur von einer Demokratie der Nonnen geliebt, fest verpackt mit den schwarzen Gürteln des Code Napoléon – die Revolution hat bewirkt, was vorher nur das schlüpfrige Hollywood bewirken konnte.
Betrachte diese Worte, sieh dir an, was geschieht .
Ich sehne mich nicht allein deshalb nach einem unabhängigen Québec, weil ich französisch bin. Ich sehne mich nicht allein deshalb nach dicken Grenzlinien, weil ich dagegen bin, dass unser Volk zu einer kleinen, hübschen Zeichnung am Rand eines Touristenstadtplans verkommt, weil wir sonst zum Louisiana des Nordens werden, in dem nur noch einige gute Restaurants und ein Latin Quarter von unserem Blut zeugen. Ich habe diese Sehnsucht nicht allein, weil ich weiß, dass nur angestaubter Krempel – Flaggen, Armeen, Pässe – erhabene Dinge garantieren kann wie Schicksal und einen eigenen Geist.
Ich möchte dem unversehrten Körper Amerikas einen bunt schillernden Bluterguss verpassen. Ich möchte, dass in jeder Ecke des Kontinents ein eigener Schornstein raucht. Ich möchte, dass Kanada entzweibricht, damit die Menschen sehen, dass auch sie das Leben aufbrechen können. Ich möchte, dass die Geschichte dem Land mit scharfen Kufen ins Genick springt. Ich möchte eine Blechdose an Amerikas Kehle setzen, um aus ihr zu trinken. Ich möchte, dass zweihundert Millionen Menschen verstehen, dass es auch anders geht. Einfach nur anders.
Der Staat muss lernen, sich selbst zu bezweifeln. Ich möchte, dass die Polizei eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung wird. Ich möchte, dass sie mit dem Aktienmarkt in den Keller rauscht. Ich möchte, dass die Kirche in verschiedene Ligen geteilt wird, die gegeneinander antreten, wie im Film.
Ich gestehe! Ich gestehe!
Hast du gesehen, wie es geschehen ist ?
Bevor ich verhaftet und in diesem Krankenhaus für kriminelle Geiste skranke eingesperrt wurde, verbrachte ich meine Tage damit, Pamphlete gegen die Angelsachsen zu verfas sen, Batteriewecker an Bomben zu kleben, und so weiter, das ganze subversive Programm. Was ich vermisst habe, waren deine dicken Küsse. Weder konnte ich dich von dem Weg abbringen, den ich dir vorgezeichnet hatte, noch durfte ich selbst folgen, weil ich diesen Weg nämlich selbst nicht gehen durfte.
Aber die Nächte! Die Nächte gossen Benzin auf meine heillosesten Träume.
Die Engländer haben uns angetan, was wir den Indianern angetan haben, und die Amerikaner haben den Engländern angetan, was die Engländer uns angetan haben. Und ich verlange Rache auf allen Seiten. Ich habe Städte brennen sehen, ich habe
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