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Beautiful Losers

Beautiful Losers

Titel: Beautiful Losers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonard Cohen
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nicht gemerkt, ihr Idioten, sie kannte das Tetragrammaton! Und sie ist euch entwischt! Wieder eine, die uns entwischt ist! Und jetzt müssen wir nachschauen, ob ihre Finger noch bluten! Wir hatten sie doch schon gefasst, wir hatten sie in unserer Gewalt. Und sie war bereit, zu reden, die Welt auf sich zurückzuwerfen, und wir haben zugelassen, dass die scharfen Zähne der Reliquienkästchen an ihrem Gerippe knabbern. Und was tut der Gesetzgeber?

17.
    Um 15:30 Uhr an jenem Nachmittag verstarb sie. Es war der Hei lige Mittwoch, der 17. April 1680. Sie war vierundzwanzig Jahre alt. Wir befinden uns im tiefsten Herzen des Nachmittags. Pater Cholenec kniete neben der Leiche und betete. Er hatte die Augen geschlossen. Plötzlich riss er sie auf und rief erschüttert: »Je fis un grand cri, tant je fus saisi d ’ étonnement!«
    – Iiiiiiiiauuuuuu!
    Das Gesicht der Catherine Tekakwitha war weiß!
    – Viens ici!
    – Sieh dir dieses Gesicht an!
    Betrachten wir etwas genauer den Augenzeugenbericht des Pater Cholenec. Wollen wir uns dabei bemühen, unsere politischen Überzeugungen hintanzustellen, vergiss nicht, dass ich dir positive Neuigkeiten versprochen habe. »Seit ihrem vierten Lebensjahr war Catherines Gesicht von der Pest gezeichnet gewesen. Ihre Krankheit und die Selbstkasteiungen hatten zu ihrer Verunstaltung weiter beigetragen. Doch eine Viertelstunde, nachdem sie verschied, veränderte sich plötzlich ihr derart entstelltes und dunkles Gesicht. Von einem Augenblick auf den nächsten wurde sie wunderschön und so hellhäutig …«
    – Claude!
    Pater Chauchetière kam angelaufen, und in seinem Gefolge das ganze Indianerdorf. Sie entschwebte in den düsteren, kanadischen Nachmittag, als sei sie nur friedlich eingeschlafen unter einem gläsernen Schirm, und ihr Antlitz war heiter und hell wie Alabaster. Solcherweise, mit weißem, dem Himmel zugewandtem Gesicht, betrat sie unter den gebann ten Blicken der Dorfbewohner den Weg der Toten. Pater Chauchetière sprach:
    – C ’ etait un argument nouveau de crédibilité, dont Dieu favorisait les sauvages pour leur faire goûter la foi.
    – Psssst!
    – Schhhh.
    Später kamen zufällig zwei Franzosen vorbei. Einer von ihnen sagte:
    – Schau dir an, wie hübsch das Mädchen ist, das dort schläft.
    Als man ihnen erklärte, um wen es sich handelte, fielen sie auf die Knie und beteten.
    – Wir wollen einen Sarg bauen.
    In ebendiesem Augenblick ging das Mädchen in den ewigen Mechanismus des Himmels ein. Sie warf einen letzten Blick über ihre atomisierte Schulter, ließ einen Alabasterstrahl über ihr Antlitz blitzen und strömte unter dem dankbaren Gelächter ihrer wahnsinnig gewordenen Freundin davon.

18.
    Rot und weiß, Haut und Pickel, offene Gänseblümchen und brennende Prairie, – pace dir, alter Kumpel, und allen anderen Rassisten. Wir wollen uns darin üben, Legenden zu schaffen aus der Beschaffenheit der Sterne, doch wir wollen uns auch rühmen dürfen, dass wir die Legenden dem Vergessen anheimgeben, damit wir in leere Nächte starren können. Wir bitten darum, dass die weltliche Kirche der weißen Rasse dadurch dient, dass sie ihre Farbe ändert. Wir bitten darum, dass sich die weltliche Revolution der grauen Rasse annimmt, indem sie eine Kirche in Brand steckt. Wir bitten darum, dass die Manifeste alles in die Flammen drücken, was wir besitzen. Wir lieben es, die Regenbogenkörper von einem Turm aus zu betrachten. Auch ihr, die ihr eure hergebrachten Muster flechtet, müsst ertragen, dass Rot zu Weiß geworden ist. Und flechten wir nicht alle unsere Muster, wenn wir schlafen? Es war einmal, so beginnt ja wohl unsere Geschichte. Noch eine Sekunde, dann sind unsere Finger wund, wir lieben saubere Fahnen, nichts bedeutet uns mehr als unsere Privatsphäre, unsere Geschichte gehört uns längst nicht mehr, sie wurde fortgetragen in einer Wolke aus feinstem Samenstaub, den wir filtern, als wären wir in einer hohen Wächte aus wildem Blütenstaub versunken, und unsere Vorlieben wandeln sich zum Schönen. Über einem Krankenhaus steigt ein Drachen auf, einige der in der B. T. Gefangenen sehen ihm nach, andere nicht. Mary und ich rutschen tiefer ab, in die Orgien Griechenlands, die wir von antiken Vasen kennen und aus griechischen Restaurants. Ein neuer Schmetterling fährt auf den zuckenden, wächsernen Schatten der Zimmerbegrünung Achterbahn, ein winziges Zirkuszelt, das wie ein Drachen in einem Luftloch taumelt, der einzige Fallschirmspringer im Ort testet

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