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Becky Brown - Versprich, Nach Mir Zu Suchen!

Titel: Becky Brown - Versprich, Nach Mir Zu Suchen! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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Straßen laufen müssen. Wie viel angenehmer war es da doch, über das weite, sanft gewellte Prärieland zu laufen, dabei den grandiosen unvergänglichen Himmel über sich zu haben, sich am Flug der Vögel erfreuen und den Blick über das sich langsam färbende Wintergras bis zum Horizont schweifen lassen zu können.
    An einem der letzten Oktobertage machte sich Becky wieder einmal allein auf den Heimweg, während Amanda noch mit ihrer Busenfreundin Alice im General Store des Vaters verschwand. Als sie sich den letzten Häusern von Winchester näherte, dachte sie mit einem leichten Anflug von Wehmut darüber nach, dass sie sich zwar mit den meisten Mädchen ihres Alters recht gut verstand, aber doch mit keinem eine richtig tiefe Freundschaft geschlossen hatte. Lag es wohl an ihr und ihrer Herkunft, dass sie noch niemanden gefunden hatte, in dessen Gesellschaft sie über alles zu reden gewagt hätte, was sie beschäftigte? Oder lag es allein daran, dass die viele Arbeit auf der Farm ihnen einfach so wenig Zeit ließ und man auch zu weit voneinander entfernt lebte, um in einem halben Jahr Freundschaften zu knüpfen, die tiefer gingen als das, was sich gewöhnlich in oberflächlichem Geplapper und Getratsche erschöpfte? Musste sie mehr Geduld mit sich und den anderen haben? Ja, das musste sie wohl. In dem unermesslich weiten und offenen Prärieland von Indiana unterlag das Zusammenleben nun mal anderen Gesetzen und Rhythmen als in einem überbevölkerten Viertel wie Five Points, wo …
    »Hallo, Becky!«
    Bei dem plötzlichen Anruf, der von rechts hinter ihr kam, fuhr Becky zusammen. Ein kräftiger Apfelschimmel, der einen alten Buggy mit einem vielfach geflickten Segeltuchtop zog, befand sich auf ihrer Höhe. Sie war so tief in ihren Gedanken versunken gewesen, dass sie das Gespann nicht bemerkt hatte, das aus der Seitengasse hinter der Kirche von St. Mark gekommen war und sie nun am Ortsausgang eingeholt hatte. Und es war ausgerechnet dieser flachsblonde Harvey Willard, der dort in abgerissenen Sachen auf der Bank des Buggys saß, das von Sommersprossen übersäte Gesicht im Schatten seines alten Filzhutes und die Zügel lässig in der Hand. Demonstrativ wandte Becky den Kopf wieder ab, als sie erkannte, wer sie angesprochen hatte. Sie richtete ihren Blick starr auf die Landstraße und beschleunigte zudem ihren Schritt.
    »Hübsches Kleid, das du da anhast«, sagte Harvey. »Die Farbe steht dir wirklich gut.«
    Becky strafte ihn mit Nichtachtung und ging noch schneller. Weder hatte sie vergessen, wie sehr er sich damals bei dem »Indianerüberfall« über sie lustig gemacht hatte, noch dass sie sich geschworen hatte, nie wieder ein Wort mit ihm zu wechseln. Bisher hatte sie sich auch gut daran halten können, war er ihr doch nicht wieder unter die Augen getreten - ausgenommen sonntags in der Kirche. Aber da war er zum Glück nie in ihre Nähe gekommen.
    Harvey Willard hatte natürlich keine Schwierigkeiten, an ihrer Seite zu bleiben. Ein kurzes Schnalzen genügte, um den Apfelschimmel in einen leichten Trab fallen zu lassen und den Buggy wieder auf eine Höhe mit ihr zu bringen.
    »Sag bloß, du bist mir noch immer böse wegen der Sache von damals?«, fragte er. »Das kann doch nicht dein Ernst sein!… Oder habe ich mich wirklich so unmöglich benommen?«
    Becky dachte nicht daran, ihm zu antworten. Mit verkniffenem Mund und ohne ihn auch nur eines Blickes zu würdigen, hastete sie über die Landstraße.
    »Nun versuch doch nicht, mir davonzurennen, Becky!«, rief Harvey ihr zu. »Wie sieht denn das aus? Das ist doch lächerlich!«
    Sie schwieg beharrlich.
    »Okay, ich gebe zu, dass ich meinen Spaß auf deine Kosten gehabt habe. Aber das war doch nicht böse gemeint. Es tut mir Leid, wenn du dir das so zu Herzen genommen hast. Allerdings musst du doch zugeben, dass die Situation wirklich zum Lachen war. Du mit der rauchenden Schrotflinte in der Hand und ganz im Glauben, die mordlustige wilde Rothaut in die Flucht geschlagen zu haben. Entschuldige, aber das war für mich, der ich Moharala schon von Kindesbeinen an kenne, einfach umwerfend komisch.«
    Auch jetzt gab Becky ihm keine Antwort, geriet aber allmählich ins Schwitzen. Zudem begannen ihre Beinmuskeln zu schmerzen. Lange konnte sie dieses unnatürlich schnelle und wirklich lächerliche Gehen nicht durchhalten. Dann musste sie entweder rennen oder wieder in ein natürliches Schritttempo zurückfallen. Sie hoffte, er würde des Selbstgespräches bald

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