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Becky Brown - Versprich, Nach Mir Zu Suchen!

Titel: Becky Brown - Versprich, Nach Mir Zu Suchen! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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man sie nicht auf die Probe stellte, wie gut sie damit umgehen konnte und sich ihrer Haut zu wehren vermochte.
    Ihr Entschluss, in den Ortschaften und kleineren Städten, durch die sie kam, stets erst einmal zielstrebig das Postamt, den General Store oder die Bahnstation aufzusuchen, erwies sich zudem als sehr hilfreich. Hier konnte sie nicht nur Informationen über Scott Hendersons Truppe einziehen, die allen Auskünften nach mittlerweile einen Vorsprung von gut zweieinhalb Tagesreisen vor ihr hatte. Sondern an diesen öffentlichen Orten boten sich ihr häufig auch Gelegenheiten, Farmer anzusprechen und sie zu bitten, sie auf ihrem Buggy oder Fuhrwerk ein Stück mitzunehmen, sofern sie in dieselbe Richtung mussten wie sie.
    Oft genug stieß sie mit ihrer Bitte auf offene Ohren, wenn die Leute hörten, dass sie ihren kleinen Bruder suchte, um ihn vor der größten Dummheit seines Lebens zu bewahren. Aber nicht immer lachte ihr das Glück. Es blieben noch genügend Stunden, manchmal sogar Tage, wo sie keine Mitfahrgelegenheit fand und sich in der brütenden Sommerhitze zu Fuß auf den Landstraßen durch Täler und über Bergzüge kämpfen musste.
    Da ihr Geld nicht reichte, um in anständigen Pensionen die Nächte zu verbringen, und sie klug genug war, die billigen Tavernen zu meiden, die manchmal ebenso winzige wie von Dreck und Ungeziefer starrende Dachkammern an Durchreisende vermieteten, blieb ihr nichts anderes übrig, als sich außerhalb der Ortschaften einen Schlafplatz zu suchen. Manchmal fand sie eine einsame Weidenhütte, die ihr Unterschlupf bot, und als eines Abends ein mehrstündiger Regen über das Land niederging, wagte sie es sogar, sich in die Scheune einer Farm zu schleichen und dort im Stroh zu schlafen, bis das Krähen des Hahns sie weckte und sie eiligst so unbemerkt verschwand, wie sie gekommen war. Meist aber suchte sie sich in einem der Wälder, mit denen Kentucky reich gesegnet war, einen Schlafplatz oder verbarg sich ein gutes Stück von der Landstraße entfernt im Schutz von hohen Büschen. Sie machte es sich jedoch zur eisernen Regel, dort nie ein Feuer zu entzünden, hätten doch der Rauch und der Feuerschein sie verraten können.
    Es waren oftmals bange Nächte, die sie auf ihrem mühseligen Weg nach Osten, immer auf der Fährte von Scott Hendersons Freiwilligentruppe, allein verbrachte. Nicht wegen irgendwelcher Gefahren, denen sie sich unverhofft gegenübersehen konnte, sondern weil dann ihre Gedanken, die sie sich über die Irrungen und Wirrungen der letzten Jahre machte, und vor allem die Sorge um Daniel sie ganz besonders stark beschäftigten. Zwar hatte sie auch tagsüber mehr als genug Zeit, um stundenlang über die Ereignisse der Vergangenheit zu grübeln. Aber in der tiefen Dunkelheit der Nacht erhielten diese Gedanken eine noch viel intensivere Kraft. Dann durchlebte sie noch einmal die bitteren Jahre in Five Points, trauerte um ihre Eltern, fragte sich, wie es wohl Coffin und Timothy erging, quälte sich mit ihren Schuldgefühlen wegen des Raubüberfalls auf Arthur Dougherty und dachte bedrückt an Winston und Emily, die sicherlich voller Angst und Sorge um sie waren. Und natürlich fragte sie sich immer wieder aufs Neue, ob es ihr wohl gelingen mochte, Captain Hendersons Trupp noch früh genug einzuholen - besonders als sie schon eine gute Woche unterwegs war, sie tags darauf Kentucky hinter sich lassen und in den westlichen Landstrich von Virginia kommen würde. Zwar hatte sie in diesem Wettlauf seit ihrem Aufbruch in Pleasantville schon viel Zeit aufgeholt, aber Scott Hendersons Männer und mit ihm Daniel waren ihr immer noch einen guten Tagesmarsch voraus.
    Ihre Gedanken gingen jedoch immer auch zu Harvey und zu dem wunderbaren, unglaublich aufwühlenden Kuss zurück, den er ihr zum Abschied auf der Bahnstation von Madisonville gegeben hatte. Und die Liebe, die sie für ihn empfand und die sie mit einer ungeheuren inneren Wärme erfüllte, gab ihr auch in Stunden der Bedrückung immer wieder neue Kraft und Zuversicht.
    In den schmalen, zerklüfteten Tälern von West Virginia verlor sie für einen Tag die Spur von Captain Henderson und seinen Männern. Fast geriet sie in Panik, als sich niemand erinnern konnte, eine solche Truppe in dieser Gegend gesehen zu haben. Weil sie sich keinen anderen Rat wusste, kehrte sie zu jener Siedlung westlich von Fairmont zurück, wo man ihr am Tag zuvor verlässliche Auskunft über das Freiwilligenkommando gegeben hatte. Und nach einigem

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